Warum deutsche Gewerkschaften gegen die Einführung des Grundeinkommens sind

Es gibt kein Recht auf Faulheit, Genossen!

Das bedingungslose Grundeinkommen hat in Deutschland viele Gegner. Zu den schärfsten Kritikern gehören die Gewerkschaften.

Das bedingungslose Grundeinkommen hat in Deutschland in großen Teilen der Linken einen guten Ruf, schließlich scheint es einer Arbeitsethik zu widersprechen, nach der nicht essen soll, wer nicht arbeitet. Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens ist, dass alle Menschen ein Recht auf ein Mindesteinkommen haben, unabhängig davon, ob sie einer Lohnarbeit nachgehen oder nicht. Doch Gewerkschafter gehören zu den entschiedenen Kritikern eines bedingungslosen Grundeinkommens. Nicht nur der SPD nahe stehenden DGB-Funktionäre, auch Basisgewerkschafter und Mitglieder kleiner Gewerkschaften außerhalb des DGB sprechen sich mit unterschiedlichen Argumenten gegen das bedingungslose Grundeinkommen aus. Gewerkschaftsnahe Wissenschaftler wie die Ökonomin Friedrike Spiecker bezeichnen die Forderung nach einen bedingungslosen Grundeinkommen als Irrweg und argumentieren dabei vor allem realpolitisch und ökonomisch. »Das Grundeinkommen zerstört die ökonomische Basis, aus der heraus es bezahlt werden soll, durch sein Konstruktionsprinzip«, begründet Spiecker im Interview mit dem Onlinemagazin Telepolis ihre Ablehnung. Wenn sie dann ergänzt, mit dem Grundeinkommen bestehe »ein Anreiz, sich auf dieser Leistung des Staates in dem Sinne auszuruhen, dass man um den Betrag weniger arbeitet, den man automatisch vom Staat erhält«, können ihr Befürworter mit Recht vorwerfen, dass sie retorisch den Arbeitsfetisch poliert. Spiecker vertritt hier durchaus den Mainstream der Kritik am bedingungslosen Grundeinkommen, wie sie auch von vielen DGB-Gewerkschaftern geäußert wird. Der ehemalige Landtagsabgeordnete der Grünen in NRW und Attac-Mitglied Daniel Kreutz setzt sich mit den linken Befürwortern des Grundeinkommens ebenfalls kritisch auseinander. Es werde völlig verkannt, »dass Lohnarbeit nicht bloß Mühsal und Plage ist, sondern auch ein zentrales Moment gesellschaftlicher Teilhabe«, schreibt Kreutz in einem auf der Internetplattform Labournet veröffentlichen Beitrag.
Auch linke Basisgewerkschafter außerhalb des DGB kritisieren das Konzept. So schrieb der Mitbegründer von Industrial Workers of the World (IWW), Heiner Stuhlfauth, in der libertären Zeitschrift Graswurzelrevolution: »Die Forderung nach dem BGE ist nationalstaatlich gedacht, verkennt die globalisierte Welt in ihrem Kern, sie ist borniert.« Zudem moniert Stuhlfauth, dass beim bedingungslosen Grundeinkommen der Ansprechpartner der Staat ist. Er stellt die Begeisterung auch Teile der außerparlamentarischen Linken für das Grundeinkommen in den Kontext der großen Schwierigkeiten bei der Organisierung von Erwerbslosen und Prekären: »Es wäre besser, einen Moment innezuhalten und diese Niederlage zu begreifen, sie an sich heran zu lassen, sich als arbeitsloser Teil der gesamten arbeitenden Klasse zu begreifen, anstatt direkt die nächste Kampagne zu reiten und sich damit hoffungslos auf dem Feld parlamentarischer Politik zu verrennen.«
Tatsächlich sind die Kritiker des bedingungslosen Grundeinkommens ebenso heterogen wie die Befürworter, die schließlich auch völlig unterschiedliche Modelle vertreten, die unterschiedliche politische und soziale Folgen hätten. So weist die linke Schweizer Wochenzeitung Vorwärts, die nichts mit dem SPD-Blatt gleichen Namens zu tun hat, darauf hin, dass auch bekannte Unternehmer zu dem Entwurf für ein bedingungsloses Grundeinkommen stehen, über den am 5. Juni 2016 in der Schweiz abgestimmt wird. In einer Broschüre beziehen sich die Befürworter positiv auf den wirtschaftsliberalen US-Ökonomen Milton Friedman. In Finnland bereitet eine rechte Regierungskoalition ein zeitlich befristetes Experiment mit einem bedingungslosen Grundeinkommen vor.
Diese Modelle haben aber nur den Namen mit den politischen Konzepten gemein, die in operaistischen Kreisen unter dem Namen Existenzgeld schon vor Jahrzehnten diskutiert wurden. Dass Kompromisse zwischen Gegnern und Befürworten des bedingungslosen Grundeinkommens möglich sind, zeigte schon vor mehr als einem Jahrzehnt der Arbeitslosenverband Mecklenburg Vorpommern mit der Parole »Von Arbeit muss man leben können, ohne Arbeit auch«.