die Situation in Aleppo und die Politik der westlichen Staaten

Ein bisschen Fortschritt

Während auf Aleppo ein Bombenhagel niedergeht, wiegelt der US-amerikanische Außenminister John Kerry ab.

Der Krieg in Syrien ist unerbittlich, nicht nur gegen die Menschen, die dort leben. Er zeigt auch, wie politisch dilettantisch und moralisch diskreditiert die sogenannte westliche Staatengemeinschaft agiert, die glaubt, wenn sie sich nur lange genug die Ohren zuhält, werde das Krachen der Bomben in Syrien von selbst aufhören. Aber das ist nur die halbe Wahrheit: Man hat das mörderische Treiben der iranischen Milizen und russischen Bomber in Syrien nicht nur konsequent ignoriert, man hat es letztlich gutgeheißen. Dass der US-amerikanische Außenminister John Kerry prompt »ein kleines bisschen Fortschritt« ausmachte, als die russischen Luftangriffe auf Aleppo gerade wieder volle Fahrt aufgenommen hatten, ist bezeichnend. Sein undankbarer Job ist es schließlich, für Syrien noch irgendeine Form von Scheinlösung hinzubekommen, bevor Barack Obamas Amtszeit endet. Obama hat Syrien und den Irak der Islamischen Republik Iran überlassen, das war der Preis für den Abschluss des Atomabkommens mit dem Iran, der das große, »historische« außenpolitische Vermächtnis seiner Präsidentschaft werden sollte. Stattdessen wird der Leichengeruch aus Aleppo das Vermächtnis des Friedensnobelpreisträgers Obama begleiten.
Das ist keine beglückende Aussicht für einen Mann, der so gerne große Reden gehalten und sich als Lichtgestalt inszeniert hat. Das Waffenstillstandsabkommen für Syrien war lediglich der ziemlich verzweifelte und voraussagbar zum Scheitern verurteilte Versuch, hier noch ein PR-Wunder zu bewirken: Die syrischen Rebellen in gute und böse zu unterteilen, den einen Teil zur »freiwilligen« Unterwerfung unter das Regime von Bashar al-Assad zu zwingen – man hätte das natürlich anders genannt, »politischen Prozess« oder so ähnlich –, um dann festzustellen, nun müsse man gemeinsam mit Russland und Iran nur noch den anderen Teil, die verbleibenden Jihadisten, bekämpfen, was aber überhaupt nichts mehr mit Syrien selbst zu tun habe. Ein verzweifelter Taschenspielertrick als Politik­ersatz, mehr war das nicht. Da nutzt es auch nichts, dass die US-amerikanische UN-Botschafterin Samantha Power in Hinblick auf Russlands Vorgehen plötzlich von »Barbarei« spricht. Das ist unfair, schließlich tut Russland auch jetzt nichts anderes, als was es von vornherein in Syrien getan hat: Assad an der Macht halten. Putin, Assad und die Anführer der iranischen Revolutionsgarden sind allerdings nicht einmal höfliche Nutznießer von Obamas Imageproblem, die wenigstens rhetorisch einmal so tun würden als ob. Der syrische UN-Vertreter verspricht ungerührt den endgültigen Sieg Assads über seine Feinde, konzentriert doch der Iran seit Wochen ausländische Kämpfer zum Sturm auf Aleppo. Und völlig ungeniert setzt Russland nun bunkerbrechende Bomben auf der Suche nach den letzten Untergrundlazaretten der syrischen Zivilschutzorganisation »White Helmets« ein und Brandbomben, die in Wohngebieten gigantische Feuerbälle verursachen.
Wieso auch nicht, wer oder was sollte sie daran hindern? Ein Frank-Walter Steinmeier als deutscher Außenminister sicherlich nicht, der immer noch, wie aus Moskau ferngesteuert, so redet, als wären es gar nicht russische Flugzeuge, die da Bomben über Aleppo abwerfen, sondern eine ominöse »Gewaltspirale«. Steinmeier hat die UN-Vollversammlung gerade genutzt, um für einen Sitz Deutschlands im Sicherheitsrat der UN zu werben – die Kampagne steht unter dem Motto »Frieden, Gerechtigkeit, Partnerschaft und Innovation«. Wladimir Putin wird das sicher auch gut finden. Wie das dann praktisch aussieht, kann sich jeder, der es wissen will, jeden Tag aufs Neue im Internet in den Videos aus Aleppo ansehen.