Der Korruptionsskandal um den Baukonzern Odebrecht zieht auch in Peru weite Kreise

Korrupte Baustelle

In den Korruptionsskandal um den Baukonzern Odebrecht sind auch viele Politiker und Unternehmen aus Peru verwickelt. Jede Regierung seit 1990 scheint vom Konzern Bestechungsgelder entgegengenommen zu haben.

Ein ehemaliger Präsident ist auf der Flucht, gegen einen weiteren wird ermittelt wird und die Partei des dritten weist alle Vorwürfe zurück. In Peru stellt der Korruptionsskandal um den Baukonzern Odebrecht sogar Hollywood-Drehbücher in den Schatten. Das gesamte politische Establishment steht unter Verdacht, in das Korruptionsnetzwerk verwickelt zu sein. Der ehemalige Präsident Alejandro Toledo (2001–2006) gab sich nicht mit den üblichen Bestechungssummen zufrieden. »Toledo hat laut den Angaben der Staatsanwaltschaft, die sich auf Aussagen der Verantwortlichen bei Odebrecht beruft, 35 Millionen US-Dollar verlangt, um die Weichen für den Bau eines Abschnitts der Fernstraße Interoceánica im Sinne Odebrechts zu stellen«, sagt Carlos Monge vom Natural Resource Governance Institute in der peruanischen Hauptstadt Lima. Die NGO engagiert sich für einen transparenten und effektiven Umgang mit den Ressourcen und gegen die Korruption.
Der Bau der Interoceánica, die die peruanische Pazifikküste mit der brasilianischen Atlantikküste verbindet, galt als eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte in der Region, und war ­zugleich auch eines der teuersten. Die Baukosten haben sich der Tageszeitung La República zufolge im Laufe der Jahre von rund 820 Millionen auf rund 4,5 Milliarden US-Dollar mehr als verfünffacht. Ein Grund dafür war, dass viele mitverdienen wollten, nicht nur die ausführenden Bauunternehmen Odebrecht und der peruanische Partner Graña y Montero, sondern auch Dutzende andere Unternehmen.
Nicht nur Toledo, der sich in den USA aufhalten soll und um dessen Auslieferung der seit Juli amtierende Präsident Pedro Pablo Kuczynski gebeten hat, sondern auch dessen Nachfolger Alan García (2006–2011) und Ollanta Humala (2011–2016) sollen Bestechungs­gelder entgegengenommen haben, allerdings deutlich weniger als Toledo. Garcías gut organisierte und vernetzte Partei, die sozialdemokratische APRA, verteidigt ihren Politiker, der derzeit in Spanien weilt. Humala hingegen hat keine Organisation, die ihn gegen die Vorwürfe in Schutz nimmt. Unstrittig ist, dass Toledo mit beispielloser Dreistigkeit vorging, unterstützt von seinem Freund, dem israelischen Geschäftsmann Josef Arieh Maiman. Dieser stellte Konten in Costa Rica zur Verfügung, über die die Zahlungen von Odebrecht abgewickelt wurden – in 18 Raten, so die Staatsanwaltschaft. 
Sie ermittelt auch gegen die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Keiko Fujimori und ihre Partei Fuerza Popular, beziehungsweise gegen deren ehemaligen Generalsekretär Joaquín Ramírez. Er soll auf Informationen der US-amerikanischen Drug Enforcement Agency (DEA) Geld aus dem Drogenhandel gewaschen haben. Die Richter stellten am Mittwoch vergangener Woche einen Antrag auf Aufhebung des Bank- und Steuergeheimnisses. In Fujimoris Wahlkampfkasse soll Bestechungsgeld von Odebrecht geflossen sein, ähnlich wie in Kolumbien, Panama und Guatemala, wo der Konzern ebenfalls aktiv war (Jungle World 4/2017).
In Peru haben die Ermittlungen offenbart, dass das System Odebrecht weit zurückreicht. Schon unter dem autoritär regierenden Präsidenten Alberto Kenya Fujimori (1990–2000), der wegen Menschenrechtsverletzungen und Korruption in Haft sitzt, wurden mit dem brasilianischen Baukonzern Megaprojekte abgewickelt. Diese müssten nun untersucht werden, so die Reporter von IDL-Reporteros, einem unabhängigen investigativen Nachrichtenportal. Es bildet eine Alternative zum größten Medienkonzern Perus, der Gruppe El Comercio. Diese sei mit Politik und Wirtschaft eng verbandelt; längst werde dort nicht mehr unabhängig recherchiert, so Kritiker bei einer Konferenz der Organisation Reporter ohne Grenzen in Lima im Dezember.
In der peruanischen Gesellschaft werden die Forderungen nach Kontrollen lauter, um die Herkunft von du­biosen Wahlkampfspenden und die damit verbundene Vorteilsnahme zu unterbinden. Auch eine Reform der Wahlgesetzgebung ist schon länger in der Diskussion, dafür engagieren sich Abgeordnete des linken Parteienbündnisses Frente Amplio. Für solche Reformen braucht es Mehrheiten, die in einem zutiefst korrupten Klima nicht so einfach zu bekommen sind. Mit dem Fall Odebrecht könnte sich dies ändern, denn nicht nur der interna­tionale Haftbefehl gegen Toledo erregt Aufsehen, auch die Vorladung der ­Gerichte für Alan García und die Diskussion darüber, ob Präsident Kuczynski von der Korruptionspraxis wusste. Er war unter Alejendro Toledo Wirtschaftsminister, hat den Vertrag über die Interoceánica aber nicht unterzeichnet – ganz bewusst, vermuten Beobachter wie Monge.