Die »Winterakademie des ­Instituts für Staatspolitik« verlief nicht ohne Proteste

Kühe, Schweine, Rittergut

Vergangene Woche fand in Schnellroda in Sachsen-Anhalt die »17. Winterakademie des Instituts für Staatspolitik« statt. Der neurechte Publizist Götz Kubitschek hatte geladen. Es kamen auch protestierende Antifaschisten.

Zwei Straßen, eine Kirche, eine Kneipe, 150 Einwohner. In Schnellroda passiert normalerweise nicht viel. Man organisiert sich in der Musikkappelle oder dem Traktorclub. Dörflich geht es zu, wenn das »Pfingstbier« oder Erntedank gefeiert wird. Die Tristesse der Provinz wird jedoch in letzter Zeit gelegentlich von Antifaschistinnen und Reportern gestört.
Am Freitag vergangener Woche war es wieder so weit. Der neurechte Publizist Götz Kubitschek hatte zur »17. Winterakademie« in das Dorf eingeladen. Der Ort zwischen Erfurt und Halle an der Saale, wurde erneut zum Treffpunkt der sogenannten Neuen Rechten. Vor mehr als zehn Jahren mietete Kubitschek das Rittergut von Schnellroda und machte es zum Sitz des »Instituts für Staatspolitik« (IfS). Der 46jährige wohnt hier und hat auch seinen Verlag Antaios sowie seine Zeitschrift Sezession in Schnellroda untergebracht.
Am frühen Freitagnachmittag machten mehrere Busse aus verschiedenen Orten in Schnellroda Halt. Rund 120 Antifaschistinnen und Antifaschisten waren gekommen, um gegen die Veranstaltung des neurechten Instituts zu protestieren. Thema der »Akademie« war diesmal unter anderem Gewalt. Gewaltbereit sahen auch mehrere Personen aus, die vor der Gaststätte »Zum Schäfchen« herumstanden. Vermutlich waren sie eigens bestellt worden, um an den Zugängen zur »Akademie« für Sicherheit zu sorgen. Dieselben Personen nehmen auch regelmäßig an Aufmärschen von »Thügida« und Veranstaltungen der neonazistischen Kleinpartei »Die Rechte« in Sachsen-Anhalt und Thüringen teil. Insider rechnen sie dem »Nationalen Widerstand Köthen« zu, der als gewaltbereite Neonazigruppe in der Kreisstadt im Süden Sachsen-Anhalts gilt.
Im November 2016 hatten in Köthen polizeibekannte Neonazis Besucher eines antifaschistischen Filmabends angegriffen. Dabei zerstörten sie unter anderem Infomaterial und zündeten Pyrotechnik. Zwei Monate vorher hatten Neonazis aus Halle und Köthen in der Köthener Innenstadt nach einer Spontandemonstration Polizisten angegriffen. Auch mutmaßlich Beteiligte an dem organisierten Angriff auf den alternativen Leipziger Stadtteil Connewitz vom Januar 2016 wurden von Antifaschisten in Schnellroda wiedererkannt. Damals hatten die Täter in einer Straße mehrere Geschäfte zerstört. Kurze Zeit später hatte die Polizei 215 Nazis und Hooligans festgenommen.
In den Veranstaltungsräumen die Schafe, draußen vor einer Gaststätte mit dem Namen »Zum Schäfchen« die Wölfe – lyrischer hätte es der neurechte Publizist kaum inszenieren können. An seiner vorherigen »Akademie« im September 2016 hatten unter anderem der sachsen-anhaltinische AfD-Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider, der auch Sprecher der den äußerst rechten Rand der AfD repräsentierenden »Patriotischen Plattform« ist, sowie Martin Sellner, Co-Leiter der »Identitären Bewegung Österreich« aus Wien, teilgenommen. Die beiden sind auch diesmal wieder vertreten. Besonders Sellner könnte ein Antigewalttraining vielleicht nicht schaden. Anfang Februar in Wien soll er nach dem diesjährigen »Akademikerball«, der regelmäßig von der FPÖ ausgerichtet wird, an einer U-Bahnstation mit einer Pfefferspraypistole Schüsse abgegeben haben, nachdem ihn angeblich zwei Unbekannte angegriffen hatten. Die Polizei beschlagnahmte die Pistole und sprach ein vorläufiges Waffenverbot für Sellner aus.

Das Dorf ist so klein, dass sich die Teilnehmer der »Akademie« und des Gegenprotestes praktisch auf den Füßen stehen.

Auch der Landesvorsitzende der AfD-Jugendorganisation »Junge Alternative« in Sachsen-Anhalt, Jan Wenzel Schmidt, ist anwesend. Er war in die Schlagzeilen gekommen, weil er einen früheren NPD-Bundestagskandidaten als Mitarbeiter eingestellt hatte. Im März 2016 war er als »Redner und Ehrengast« bei einer öffentlichen Versammlung der »Identitären Bewegung« in Wernigerode aufgetreten.
Es sind insgesamt eine Menge Menschen aus AfD, Burschenschaften und »Identitärer Bewegung« bei Kubitscheks Veranstaltung zugegen. Das Dorf ist so klein, dass sich die Teilnehmer der »Akademie« und des Gegenprotestes praktisch auf den Füßen stehen. Es ist ein absurdes Bild – Gegendemonstrantinnen und Akademieteilnehmer laufen quasi gemeinsam durch die Straßen von Schnellroda. Mal auf gegenüberliegenden Straßenseiten, mal genau aneinander vorbei. Die Proteste verteilen sich auf drei »Infopunkte« an den Zugängen zum Dorf. Man könnte auch sagen, der ganze Ort besteht aus einer einzigen großen Kundgebung und in der Mitte der Aufmerksamkeit steht Kubitscheks Akademie.
Dabei bleibt es nicht immer ruhig. An den »Infopunkten« kommt es immer wieder zu verbalen Auseinandersetzungen mit Akademieteilnehmern. Während sich die Rechten frei bewegen können, dürfen sich die Protestierenden nach dem Willen der Polizei nicht vor der Akademie versammeln. Tun sie dies doch, schreitet die Staatsmacht ein und schickt die Personen wieder weg. Man kann beobachten, was der Thüringer Soziologe und Rechtsextremismusexperte Matthias Quent meint, wenn er sagt, Pressefreiheit und kritische Öffentlichkeit endeten für die Polizei dort, wo die Wohlfühlzone von Rechten beginne. Die selbsternannten Denkfabriken der Bewegung sollen in Ruhe ihre Strategien zur Rückwärtsentwicklung der Gesellschaft besprechen können, ohne von lärmendem Protest gestört zu werden.
Bei der antifaschistischen Demonstration im September in Schnellroda hatte sich noch an vielen Wohnhäusern Widerstand gezeigt. Mit Plakaten und Schildern demonstrierten die Anwohner ihre Ablehnung der Akademie (Jungle World 38/16). Auffällig ist, dass dieser bürgerliche Protest diesmal komplett fehlte. Die Gründe dafür sind nicht bekannt.
Zum dritten Mal haben Antifaschisten und Antifaschistinnen nun in Schnellroda demonstriert. Zu dem Protest hatte unter anderem das »Bündnis Aufstehen gegen Rassismus Mitteldeutschland« aufgerufen. Auch während der Demonstration sind die Rechten nicht weit. Immer wieder stehen sie an der Route und versuchen zu provozieren. Vorbei an Kubitscheks Rittergut macht der Zug einen kleinen Bogen durchs Dorf und dann zur Kneipe »Zum Schäfchen«, wo die Akademieteilnehmer ihn bereits erwarten. Die antifaschistische Demonstration scheint für sie viel interessanter zu sein als die eigene Veranstaltung. Vereinzelt fliegen Bierbecher aus der Gruppe, lautstark wird gepöbelt. Während eines Redebeitrags der »Gruppe Kaltlandreisen« sind immer wieder störende Rufe des vermeintlichen Akademieschutzes zu hören.
Mit »Höcke«-Rufen zeigen die Rechten zudem ihre Solidarität mit dem Thüringer AfD-Landesvorsitzenden, gegen den seit Anfang vergangener Woche ein Parteiausschlussverfahren läuft. Grund dafür ist Höckes Rede vom Januar in Dresden. Auch seine Teilnahme am neonazistischen Gedenkmarsch 2010 in Dresden wurde im Zuge der Berichterstattung bekannt. Kubitschek nahm dem Zeit-Blog »Störungsmelder« zufolge damals ebenfalls an der Neonazidemonstration teil.