Porträt: Muhammad Bekschanow

Lebenslänglich

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18 Jahre sind eine lange Zeit. In 18 Jahren kann man erleben, wie ein Mensch vom Säugling zum Erwachsenen heranwächst und seinen eigenen Weg geht. In 18 Jahren kann man einen Menschen aber auch so lange einsperren und foltern, bis ihm mehrere Zähne fehlen, er fast taub und schwerkrank ist und nicht mehr viel von seinem Leben haben wird. Für Muhammad Bekschanow, der, wie die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) berichtete, am 22. Februar nach fast 18 Jahren aus einem usbekischen Gefängnis entlassen wurde, war die langersehnte Freiheit sicher ein Grund zur Freude. An den Folgen seiner unrechtmäßigen Inhaftierung wird der 62jährige aber für immer leiden müssen. Sein Vergehen: Er hatte als unabhängiger Journalist und als Chefredakteur für die wichtigste Oppositionszeitung Usbekistans, ERK, gearbeitet. Er schrieb er unter anderem über das Zwangsarbeitssystem auf Baumwollplantagen – Baumwolle ist eines der wichtigsten Exportprodukte des Landes – und über ökologische und ökonomische Probleme. Dem Regime unter dem 2016 verstorbenen Autokraten Islam Karimow gefiel das nicht, 1994 wurde ERK verboten. Bekschanow floh außer Landes. Nach Bombenattentaten im Februar 1999 in Taschkent gegen mehrere Regierungsgebäude schaltete das Regime die gesamte Opposition aus, Bekschanow wurde in der Ukraine verhaftet und ausgeliefert. Am 15. März 1999 wurde er zu 15 Jahren Haft verurteilt, nachdem er ein unter Folter erzwungenes Geständnis unterschrieben hatte. 2012 wurde ihm »Ungehorsam gegen das Gefängnispersonal« vorgeworfen, er bekam weitere viereinhalb Jahre. Er gehörte zu den am längsten inhaftierten Journalisten weltweit.
ROG zufolge unterliegen usbekische Medien auch heute noch rigider staatlicher Zensur; das Land ist auf Platz 166 von 180 der Pressefreiheitsrangliste der Organisation. Derzeit sitzen noch neun Journalisten im Gefängnis, hinzu kommen Tausende inhaftierte Oppositionelle und Menschenrechtler. Zwar wurden unter Karimows Nachfolger Schawkat Mirsijojew dieses Jahr einige prominente politische Gefangene freigelassen, darunter auch der Unternehmer und Oppositionspolitiker Rustam Usmanow, den autokratischen Kurs behält der amtierende Prä­sident jedoch bei. Unabhängige Medien existieren nach wie vor nicht und Möglichkeiten, sich zu informieren, hat die Bevölkerung kaum. Bis die Menschen in Usbekistan ihren eigenen Weg gehen können, kann es also noch lange dauern.