In Thüringen horten Neonazis beunruhigende Waffenarsenale

Das Eichsfeld ist explosiv

Sprengstoff, Schusswaffen, Granaten – die Thüringer Polizei hat in den vergangenen Wochen mehrere gefährliche Funde bei Rechtsextremen gemacht.

Arbeitsunfälle sehen anders aus. Bei einer Explosion verlor der 20jährige Eric F. vor knapp zwei Wochen im thüringischen Großbartloff beide Daumen. Schwerverletzt wurde er in ein Krankenhaus in Niedersachsen eingeliefert. Zunächst gingen die herbeigerufenen Polizeibeamten davon aus, der junge Mann habe sich bei der Arbeit verletzt. Die Diagnose der Mediziner legte jedoch etwas anderes nahe: Nur eine Explosion könne die Ursache gewesen sein, so der Befund.

Bei einem Großeinsatz in Heilbad Heiligenstadt, F.s Wohnort, stellten Beamte dann diverse Chemikalien in dessen Wohnung sicher. Zuvor waren mehrere Wohnungen des Plattenbaus evakuiert worden, elf Menschen mussten in Sicherheit gebracht werden. Im Zuge einer zweiten Razzia auf einem Gelände in Großbartloff entdeckten die Behörden ein verstecktes Sprengstofflabor. Zwischen Chemikalien und gebrauchsfertigem Sprengstoff befand sich viel Blut. Dort musste sich der junge Mann also seine Verletzungen zugezogen haben.

Der Polizeisprecher Thomas Soszynski sagte der Presse, es gebe derzeit keinerlei Hinweise auf ein terroristisches Vorhaben. Ebenso bestünden keine Anhaltspunkte für ein rechtsextremes Motiv für die Herstellung des Sprengstoffs. Die Polizei nimmt bislang an, es handele sich bei Eric F. um einen Hobbychemiker, weshalb auch nicht das thüringische Landeskriminalamt, sondern die Kriminalpolizei Nordhausen die Ermittlungen übernommen hat.

Doch es häufen sich Indizien, die in eine andere Richtung deuten. Ortskundige Antifaschisten berichten, der Bombenbastler aus dem Eichsfeld, wie die Landschaft im Nordwesten Thüringens genannt wird, habe sich im Jahr 2015 am Rande einer linken Demonstration aufgehalten und deren Teilnehmer beschimpft. Die Thüringer Allgemeine schrieb, F. habe während seiner Schulzeit davon gesprochen, man solle »eine Synagoge abfackeln«. Katharina König, Abgeordnete der Linkspartei im Thüringer Landtag, hat Ähnliches in Erfahrung gebracht. Im Gespräch mit der Jungle World erzählt sie von ehemaligen Mitschülern des Bombenbastlers, die sich an seine »antisemitischen und rassistischen Äußerungen« erinnerten. »Eric F. ist zwar meines Wissens nach in keiner rechten Struktur zu verorten«, so König weiter. »Jedoch sprechen allein seine Interessen auf Facebook für eine eindeutige politische Richtung: AfD, NPD oder auch die ›Deutsch-Russische Bruderschaft‹, die positiv Bezug auf den Nationalsozialismus nimmt, gehören zu seinen Favoriten.«

Weitaus spannender als Spekulationen darüber, ob Eric F. rechtsextremen Organisationen angehört, ist für den antifaschistischen Zusammenschluss »Association Progrés« aus dem Eichsfeld die Frage, warum der junge Mann Bomben gebaut hat. »Für den Zweck der Bekämpfung von beispielsweise politischen oder gesellschaftlichen Gegnern mit Sprengkörpern benötigt es jedenfalls keine organisierte Gruppe«, so die Antifaschisten. Erst Mitte März hatte die Polizei im benachbarten Sondershausen in der Wohnung eines 31jährigen und seiner Mutter verschiedene Substanzen und Chemikalien entdeckt, die zur Herstellung von Sprengsätzen benutzt werden können. Zudem hatten die Ermittler elektronische Bauteile für Zünder sichergestellt. Zwei Wochen später entwaffnete die Polizei im Kreis Nordhausen einen 64jährigen sogenannten Reichsbürger und zwei weitere Personen. Im Zuge des großangelegten Einsatzes durchsuchten die Beamten drei Objekte, zwei in Nohra und eines in Uthleben, und beschlagnahmten 13 Langwaffen, zwei Pistolen, zwei Revolver und eine Böllerkanone. Zudem stellten sie mehrere Waffen sicher, die in einem der Häuser als Wanddekoration dienten und nun von Spezialisten waffenrechtlich begutachtet werden sollen.

Die Nordhäuser Kriminalpolizei war auf den 64jährigen aufmerksam geworden, weil er sich mit den anderen Beschuldigten auf Fotos im Internet mit einer Kalaschnikow und anderen illegalen Waffen gezeigt hatte. Auf den Bildern waren demnach auch Granaten und verbotene Symbole zu erkennen. Den Ermittlungsbehörden zufolge verfügen der 64jährige und eine 43 Jahre alte Beschuldigte als Sportschützen zwar über waffenrechtliche Erlaubnisse und ordnungsgemäß angemeldete Waffen. Der Untersuchungsrichter hatte die Durchsuchungen angeordnet, um alle vorhandenen Waffen beschlagnahmen zu lassen. Der Ansicht des Richters zufolge war die Zuverlässigkeit der Beschuldigten nicht mehr gegeben, weshalb er die Erlaubnis zum Waffenbesitz eingezog. Ob die rechtsterroristische Gefahr in Thüringen nun gebannt ist, lässt sich freilich auch nach den polizeilichen Ermittlungen der vergangenen Wochen nicht beantworten.