Vorsicht vor DeVos

Es ist November und draußen ist ein schlechter Ort. Draußen ist es kalt und nass und grau, draußen sind übellaunige BVG-Kontrolleure mit Abstiegsängsten, erkältete Frauen, die nasse Flugblätter verteilen, und müde Kassierer mit Sehnenscheidenentzündungen, draußen passieren Erdoğan und Trump. Ich bleibe heute lieber drinnen, koche mir einen heißen Wohlfühltee und zünde ein paar Kerzen an, genau so, wie ich es gestern und vorgestern und die anderen drei Novemberwochen lang auch schon gemacht habe. Um mir aber nicht gleich so einen lästigen Eskapismusvorwurf einzuhandeln, zünde ich die Kerzen selbstverständlich immer für jemanden an, heute für die Lehrerinnen und Lehrer an US-amerikanischen staatlichen Schulen. Eine kleine Schweigeminute bitte.
Die brauchen das jetzt, meine Kerzen und unsere Schweigeminute, denn Trump hat beschlossen, dass Elisabeth DeVos seine Bildungsministerin werden soll. Eine Frau, hurra, und sie gehört nicht zur Ultrarechten und hat Trump im Wahlkampf nicht unterstützt und trotzdem sind die US-amerikanischen Lehrergewerkschaften ganz aufgelöst und klagen sehr. Frau DeVos ist nämlich vor allem dafür bekannt, sich für die freie Schulwahl einzusetzen. Das klingt gut und wird gerade im Zusammenhang mit der Förderung von Kindern von Eltern mit wenig Schulbildung und dem damit einhergehenden geringen Einkommen oft gefordert. DeVos’ Idee ist, dass Eltern vom Staat ­einen Gutschein für den Schulbesuch ihrer Kinder erhalten, den sie bei einer Schule ihrer Wahl einlösen können. Sie könnten dann selbst wählen, ob die staatlichen Gelder an eine staatliche oder an eine private Schule gehen. Das würde es auch armen Eltern ermöglichen, ihre Kinder auf Privatschulen zu schicken, die sie andernfalls selbst bezahlen müssten – außer natürlich, es sind Schulen, die für einmal Kindzurechtstutzen viel mehr berechnen, als es staatliche Schulen tun, und wo die Gefahr bestünde, dass die kleinen Mittellosen mit ihrem Problemcluster der Elite von morgen im Weg stehen.
Es gibt einen schönen deutschen ­Begriff für diesen Vorgang: Privatisierung. Von Bildung, in diesem Fall. Und deswegen klagen sie nun, die Lehrer­gewerkschaften. Sie klagen, dass mit Hilfe der Gutscheine Steuergelder in den privaten Bildungssektor umgeleitet würden und dort dann auch reli­giös oder anders abgedrehten Schulen zur Verfügung stünden. Sie klagen, weil Online-Angebote für Kinder, die zu Hause beschult werden, auf diese Weise staatlich finanziert würden und diese nachweislich die allergeringsten Bildungserfolge von allen Schulformen erbrächten. Sie klagen, weil mehr Konkurrenz zwischen Schulen unweigerlich auf noch mehr Tests zum Leistungsvergleich hinausläuft und, an dieser Stelle stimme ich weinend ein: Das kann wirklich niemand, der noch bei Verstand ist, wollen.