Der Kolporteur

Kotti: Drogenszene. Turmi: Jugendbanden. Stutti: Prostitution. Breiti: Taschendiebe. Nolli: Glücksspiel. "Kiez-Gangster in Berlin: Sie beherrschen immer mehr Viertel", heißt es in einer Zeitung aus dem Hause Springer, die zu lesen auch Freude macht, da man befürchtet, daß der kriminelle Kleinkram früher oder später aufs glossende Gemüt schlägt; besichtigt man jedoch jene Gegenden, die von der Polente "gefährliche Bereiche" genannt werden, wird man gnadenlos enttäuscht, denn dort, wo das Verbrechen stattfinden soll, ist alles ganz friedlich; freundlich wird man von den Leuten angesprochen, die dort lässig herumstehen. Es wird über das Wetter und die Polypen gespottet, eher beiläufig weist ein Straßenkavalier auf das Tagesangebot hin, ein schönes Stück Schwarzer Afghane zum Beispiel gibt's zumeist am Freitag, und die Dirnen, so wird erzählt, sind dienstags besonders gut drauf.

Ja, selbst solch belangloses Treiben will der Innensenator, dessen Namen ich diesmal nicht nenne, einschränken - ach, er und seine Schergen brauchen zu Trainingszwecken bestimmte Orte, wo sie tun und lassen können, was nach polizeibeamtlichem Geschmack ist, und keiner sagt etwas gegen das Gangstertum in Uniform.

Das müßte nicht so sein. In Barcelona etwa werden die wahrlich verruchten Ecken gepflegt. In der katalonischen Metropole versteht man nicht nur von moderner Architektur sehr viel mehr, auch auf die derben Genüsse, die das Stadtleben angenehm machen, will man dort nicht verzichten.

Das "Barri Chino", der chinesische Bezirk, wo zwar keine Chinesen wohnen, dafür allerhand andere Leute aus Übersee, ist das aufregendste Quartier des Mittelmeerortes, hier wird noch Falschgeld gedruckt, hier werden noch Feste gefeiert. Wer nicht weiß, wohin die Urlaubsreise gehen soll, dem sei ein Ausflug nach Barcelona , vor allem aber ein Abstecher ins "Cangrejo" empfohlen, eine kitschig-dreckige Spelunke im "Barrio Chino", deren Besitzer Ram—n oft spät in der Nacht, wenn die Transvestiten nicht mehr als solche zu erkennen sind, weil im Dunst der Drogen die Konturen verschwinden, ein Mikrofon hervorzaubert, sich auf einen Barhocker stellt und die Tangomelodien, die aus der alten Anlage tosen, mit kehliger Stimme begleitet.