Die Hose von Versace

Ein Nachruf zu Lebzeiten. Versaces Glamour und Joops Biederkeit

Auf einer Party lernte ich vor drei Jahren eine Dame kennen, die weiße Jeans trug, auf der rote, gelbe, grüne und blaue Schmetterlinge gedruckt waren. Das sah nicht hippiemäßig aus oder so, das war unendlich schön. Ich verliebte mich nicht nur in die Hosen von Versace. Die Mode hatte erreicht, was sie erreichen sollte. Versaces Klamotten sind nicht fürs Büro gedacht. Selbst die Stangenware nicht. Die Gattinnen und Managerfrauen haben mit der auffälligen Körperzierde wenig zu tun. Wenn sie nicht gerade auf der Pirsch sind. "Die Ehefrau trägt Armani, die Geliebte Versace", sagte der Modemacher einmal, und da Popstars wie Prince und Madonna Versaces Regale leerkaufen, ist der Fall demnächst erledigt.Versace immerhin kennt nun jeder; seine Liebe zum Ornament ist als tuntiger Spleen erkannt. Im Gegenzug erhalten das selbst unter Journalisten etwas aus der Mode gekommene Karo-Sakko und all die anderen Anziehverbrechen nachträglich eine Legitimation. Denn nicht jeder kann ja schwul sein.

In Deutschland hat man zum Ausgleich einen wie Wolfgang Joop, der wie Armani die Eliten nicht nur ordentlich anzieht, sondern der über die Branche und vor allem über sich selbst immer viel Tiefsinniges zu erzählen weiß. Die Zeit fragte Joop einmal, was denn von ihm übrig bliebe, wenn er stürbe, und er antwortete draufgängerisch: "Unrat". Der glatte Joop gibt sich frech und ein wenig subversiv, und doch ist er seit je der Prototyp des Opportunisten. Wenn er von seiner Bisexualität faselt, dann stört das keinen, weil eh jeder weiß, daß er Spießer und Hetero zugleich ist; wenn er sein Lachen "grundlos fröhlich" nennt, dann beeindruckt das die traurigen Schwiegermütter; wenn er angibt, "stolz auf seine Halbbildung zu sein", dann freuen sich die Lifestyle-Redakteure im Lande. Heute verkauft Joop nicht nur schlichte Anzüge, er gibt nicht nur schlichte Interviews, Joop verfaßt zu allem Übel nun auch noch schlichte Texte. Zum Beispiel im Spiegel. Einst setzte er dreizehn Seiten Werbung ins Hamburger Nachrichtenmagazin, jetzt darf er als "Autor" für seinen Kram werben, indem er die unkundigen Leser über die angeblichen Trends der Szene informiert.

Neulich hat er sich über den "Chic der Süchtigen" beschwert. "Von Heroin zum Heroin-Look" heißt sein verlogenes Stück, in dem er sich über seine Konkurrenz mokiert, weil sie grundsätzlich nur die Magersüchtigen auf den Laufsteg zerrt. Daß ein Model an einer Überdosis gestorben ist, nimmt er zum Anlaß, sich ins rechte Licht zu rücken: Joop lästert über die Fotografen von Calvin Klein und Prada, dabei hat er vor gar nicht so langer Zeit selbst die Magersucht-Masche gepredigt. Selbstverständlich, als es noch hip war. Kulturphilosophisch kommt der Schneider daher, Joop zitiert Kant, den er nie gelesen hat und schwadroniert über Drogen, von denen er keine Ahnung hat. Zwischendrin gibt's immer einen Exkurs über die eigene Person. "Wer ich eigentlich bin, bleibt ungeklärt", sagt der Meister des schlechten Geschmacks; er möchte gerne ein Mythos werden. Das wird aber nicht klappen, denn die Joopsche Fassade ist keine. Er spricht zu häufig über sie. Feinde und Fans wissen, daß Joop ein Biedermann ist, ein Wickert unter den Modeschöpfern. Seine Aufsätze über Anstand und andere Zoten im Modegewerbe ähneln seinen glanzlosen Produkten. Wer etwas über den bodenständigen Joop erfahren will, der schnüffle mal am Parfum aus seinem Hause. Joop bedarf der journalistischen Inszenierung, weil die Joop-Artikel zu keinem Schauspiel taugen.

Gianni Versace hingegen war ein großer Dekorateur. Er machte aus der schrecklichen Leggings ein tragbares Kleidungsstück, er nahm dem Leder die dumpfe Rockeraura, fabrizierte die kitschigsten Röcke und Blusen, er verfemte das Authentische und lobte die künstliche Kleidung. Fast alles, was ihn umgab, war Glitzer. Fast alles. Seine Mannequins folgten nie dem Bleistiftkult. Die Freude an der Hülle war bei ihm mit einer zwanglosen Echtheit verbunden, die jenseits der Verkleidung lag. Show und Privatleben vermischte er deshalb nie. Statt lange über die Sexualität zu schwätzen, ließ er es mit Späßen bewenden: "Gott hat die Blumen, die Bienen und die Homosexuellen erschaffen. Er wird sich was dabei gedacht haben."

Auch Wolfgang Joop denkt: "Im nächsten Jahrtausend werden die Menschen versuchen, ganz bescheiden und ganz konzentriert sie selbst zu sein - egal, ob ihnen dabei jemand zusieht. Sie werden den Schutz der Kleidung, des Geldes, der Statussymbole abwerfen, weil der nichts mehr wert ist. In der Nacktheit werden sie nach einer neuen Wahrheit suchen. Vielleicht werden sie die sogar finden."

Sogar über das Geld und die Statussymbole räsoniert er, der sich niemals bescheiden und nackig präsentieren wird. Der Öffentlichkeit ist Joop weiterhin ein Vorbild, weil er die landläufige Meinung, das äußere Erscheinungsbild lenke vom Wesen ab, sei also nicht eigentlich genug und deshalb vernachlässigbar, als modische Innovation verkauft. Sein geheuchelter Puritanismus ist repressiv. Der Pomp Versaces hingegen widerspricht den schmucklosen Verhältnissen.