Korrupte, Reformer, korrupte Reformer

Mexikos Linke nach den Parlamentswahlen

Noch vor wenigen Jahren zeichnete Mexikos regierende Revolutionäre Institutionelle Partei (PRI) von ihrem abtrünnigen Sohn Cuauhtémoc Cárdenas und der von ihm geführten Partei der Demokratischen Revolution (PRD) gerne das Bild eines linken Schreckgespenstes. Von links dagegen mußte sich der Politiker vorhalten lassen, zu reformistisch zu sein und von der PRI die alten Laster - Korruption und undemokratische Verhaltensweisen - mit in die neue Partei übernommen zu haben. Jetzt wird Cárdenas im Dezember 1997 sein Amt als erster von der Bevölkerung direkt gewählter Bürgermeister von Mexiko-Stadt antreten.

Sein überwältigender Wahlsieg Anfang dieses Monats fand in den Medien fast mehr Erwähnung als die Tatsache, daß die PRI bei den am selben Tag stattfindenen Parlamentswahlen auch noch die absolute Mehrheit im Parlament verlor - in ihrer fast 70jährigen Herrschaftsgeschichte als faktische Staatspartei ein beispielloser Vorgang. Der "C‡rdenas-Effekt" hievte die PRD landesweit auf unerwartete 26 Prozent. Damit ist die PRD zwar nur gleichstark wie die konservative Partei der Nationalen Aktion (PAN) und liegt noch um zwölf Prozent hinter der PRI. Doch keine Partei hat wie sie in den letzten Monaten einen solchen Aufschwung genommen.

Gibt es damit eine aussichtsreiche Perspektive für die Linke in Mexiko, oder handelt es sich bei der PRD um die verkappte Transformation der herrschenden Elite, die sich angesichts fehlenden Machtzuganges vor Jahren ihre eigene Partei, eine Light-Version der PRI schaffte?

C‡rdenas ist mit Sicherheit alles andere als ein systemoppositioneller Politiker. Die Kritik an seiner reformistischen Haltung war stets berechtigter als die Kritik der PRI an seiner radikalen Position. Anderseits hat er nie Berührungsängste gegenüber radikal linken Positionen und Personen gehabt - die eigenständig seit Jahren nicht mehr in nennenswerter Form organisiert sind, von der Guerilla der Revolutionären Volksarmee (EPR) vielleicht einmal abgesehen. Cárdenas war nicht zuletzt wegen seiner weithin anerkannten Integrität die Figur, unter der die mexikanische Linke Ende der achtziger Jahre erstmals geeint wurde und mit dem vorrangigen Ziel antrat, die Macht der PRI zu brechen. Der Preis dafür war die Zurückstellung vieler anderer Ziele.

Die Beurteilung der PRD als Gesamtpartei ist schwieriger. Sie wie ein Journalistenkollege als "ähnlich korrupten Haufen wie die PRI" zu bezeichnen, ist gewagt. Viele der im Vergleich zur Führung vielfach wesentlich radikaleren Mitglieder der Basis haben ihren Einsatz seit der Parteigründung mit dem Leben bezahlt. Mehrere hundert PRD-Mitglieder sind in den vergangenen Jahren ermordet worden, weil sie sich nicht korrumpieren ließen. Keine andere Partei hat gegen die PRI-Regierung eine so konsequente Oppositionspolitik betrieben wie die PRD.

Daß die Fraktion der Korrupten in der Partei dennoch nicht klein ist, steht auf einem anderen Blatt. Mit dem seit Juni 1996 amtierenden Parteivorsitzenden Andrés Manuel López Obrador, der den ehemaligen PRI-Politiker Porfirio Munoz Ledo ablöste, hat sich jedoch eine Strömung durchgesetzt, die weniger auf alten Parteiseilschaften beruht.

Im Bundesstaat Tabasco hatte der 44jährige Obrador zuvor den linkesten Flügel und mit Abstand mitgliederstärksten Landesverband der PRD organisiert. Er setzt sich für eine Partei ein, die sich zwischen den Wahlen eher als soziale Bewegung versteht. Mit ihm an der Spitze arbeitet die PRD zudem wesentlich organisierter. Neben dem nach zwei gescheiterten Präsidentschaftskandidaturen 1988 und 1994 wiederauferstandenen Cárdenas hat López Obrador wesentlichen Anteil an den Stimmenzuwächsen der PRD.

Die Frage, ob die PRD und ihre führenden Persönlichkeiten wirklich für eine linke Politik stehen oder sich am Ende doch als ein Abklatsch der PRI erweisen, kann vorerst kaum geklärt werden. Viele Angelegenheiten in der Hauptstadt liegen in der Entscheidungsbefugnis der Bundesregierung. Die angehäuften Schulden lassen kaum Handlungsspielraum. Cárdenas wird am ehesten Akzente in der Bekämpfung der Korruption setzen können.

Nach wie vor regiert die PRD keinen einzigen Bundesstaat, wo sie Profil zeigen könnte. Im Parlament ist zwar die PRI-Vorherrschaft zahlenmäßig gebrochen. Ein gemeinsames Abstimmen von PRI und der rechten PAN, in Wirtschaftsfragen und vielen anderen Bereichen wahrscheinlich, wird den Einfluß der PRD stark reduzieren. Noch ist außerdem nicht sicher, ob die PRI und der Präsident nach der für sie - am Wahlergebnis gemessen - wenig ertragreichen Wahl, die weitgehend regulär ablief, eine weitere demokratische Öffnung zulassen werden.