Permanenter Staatsstreich in Peru

Präsident Fujimori soll sich seine peruanische Staatsbürgerschaft mit manipulierten Dokumenten verschafft haben

Der peruanische Präsident Alberto Fujimori soll sich nach Recherchen des Wochenblattes Caretas durch gefälschte Dokumente die peruanische Staatsbürgerschaft verschafft haben. Dies würde bedeuten, daß der Präsident sein Amt zu Unrecht bekleidet, denn nach der peruanischen Verfassung dürfen ausschließlich in Peru geborene Personen auf dem Präsidentensessel Platz nehmen. Nach Recherchen der Caretas-Journalistin Cecilia Valenzuela beweist eine Erklärung von Fujimoris Mutter vor der peruanischen Einwanderungsbehörde, daß sie 1934 zusammen mit Sohn Alberto und dessen Schwester Juana von Japan nach Peru einreiste. Logische Folge: Alberto Fujimori wurde in Japan geboren. Sein Taufschein gibt einen weiteren Hinweis auf Manipulationen: Der ursprünglich eingetragene Geburtsort wurde gestrichen und stattdessen ein peruanischer Ort eingetragen.

Japanische Behörden verweigerten bislang eine Stellungnahme.Tokio sei nicht in der Lage, die Informationen zu kommentieren, erklärte ein Sprecher des japanischen Außenministeriums Ende vergangener Woche. Im übrigen handele es sich um eine innere Angelegenheit Perus. Peruanische Oppositionspolitiker bestehen jedoch auf einem Untersuchungsausschuß, der die von Cecilia Valenzuela entdeckten Dokumente analysieren und die Nationalität Fujimoris herausfinden soll.

Die Ironie der Geschichte: Keine zwei Wochen vor der Veröffentlichung hatte das peruanische Inneministerium dem Hauptaktionär des regimekritischen Fernsehsenders Frequencia Latina, Baruch Ivcher, kurzerhand die peruanische Staatsbürgerschaft entzogen. Dies könnte den Verlust der Besitzrechte an dem Unternehmen bedeuten. Offenbar soll damit der unbequeme Sender mundtot gemacht werden.

Schon seit geraumer Zeit spielt sich hinter den Kulissen ein Machtkampf ab, in dem militärische und geheimdienstliche Kreise ihren Führungsanspruch gegenüber dem politisch geschwächten Fujimori geltend machen. Am 22. Juli wollten etwa 30 ranghohe Offizieren an einer als geheim deklarierten Sondersitzung des Parlaments teilnehmen. Die Opposition hatte sich gegen den martialischen Auftritt mit dem Argument verwehrt, in der Verfassung sei lediglich vorgesehen, daß der Verteidigungsminister vor dem Parlament auftreten dürfe. Erst nachdem ein linker Abgeordneter einer Fernsehkette ein Interview via Handy gegeben hatte, wurde die Debatte ausgesetzt - da die Vertraulichkeit nicht mehr gewährleistet sei. Der Vorsitzende des Ministerrats, der den Coup geplant hatte, erklärte nachträglich, der Auftritt im Parlament hätte zeigen sollen, daß die Armeeführung geschlossen agiere.

Eine Woche zuvor hatten 120 Generäle der Streitkräfte sowie der Polizei in einer ungewöhnlichen Zeremonie im Präsidentenpalast ihr Treuegelöbnis gegenüber Fujimori erneuert, und kurz darauf tagte der nationale Sicherheitsrat, dem neben Fujimori als Oberkommandierender der Streitkräfte auch die Kommandanten der Teilstreitkräfte sowie der Geheimdienstchef angehören.

Gerüchte über Unstimmigkeiten innerhalb der Armee wurden vergangene Woche von Generalmajor Carlos Palacios Rossi dementiert. Die regimekritische Zeitung La Republica hingegen berichtete, daß sich - glaubwürdigen Quellen zufolge - hohe Offiziere zuvor in der Basis von La Joya getroffen hatten, um "Respekt vor den Beförderungs-Richtlinien" einzufordern.

Zudem hat der Bürgermeister von Lima, Alberto Andrade, am 22. Juli den Rücktritt von General Nicol‡s de Bari Hermoza, dem Mann fürs Grobe, und Geheimdienstberater Vladimiro Montesinos, der grauen Eminenz Perus, gefordert. Beide seien für eine Reihe von Irrtümern Fujimoris verantwortlich. In der Bevölkerung sei der Eindruck entstanden, nicht Fujimori regiere, sondern ein Triumvirat aus Fujimori, Hermoza und Montesinos, erklärte Andrade. Bei einer Kabinettsumbildung eine knappe Woche zuvor waren fünf Minister ausgewechselt worden. Die drei wichtigsten Ressorts - Verteidigung, Justiz und Inneres - wurden mit Personen besetzt, die als Gefolgsleute Montesinos' gelten.

Insbesondere Montesinos ist in letzter Zeit verstärkt ins Schußfeld der Kritik geraten. Der Fernsehsender Baruch Ivchers, Frequencia Latina, hatte Mitte Juli aufgedeckt, daß der peruanische Geheimdienst umfangreiche illegale telefonische Abhörmaßnahmen gegen Journalisten, Künstler, Politiker, Richter und Geschäftsleute durchgeführt hatte. Dem Sender seien insgesamt 197 Gesprächsprotokolle und Tonaufnahmen aus Geheimdienstkreisen zugespielt worden.

Die machiavellistischen Machtspiele und die permanente gesellschaftliche Krise haben inzwischen zu politischen Proteste geführt. Demonstrationen von Gewerkschaften, Studenten und Jugendlichen in Lima und den größeren Städten des Landes haben in den vergangenen Wochen erstmals seit Fujimoris Amtsantritt den Protest wieder massenhaft auf die Straße getragen - gegen die Versuche, kritische Medienorgane auszuschalten, gegen die Absetzung von drei Verfassungsrichtern, die gegen ein Gesetz votierten, das trotz anderslautender Verfassungsbestimmungen eine dritte Kandidatur Fujimoris ermöglichen soll (siehe Jungle World 6), gegen Folterungen des Geheimdienstes - gegen den autoritären Kurs in der peruanischen Gesellschaft.

Einige Fujimoristen beschuldigen jetzt die Protestierenden ebenso wie die Caretas-Journalistin Cecilia Valenzuela, einem Militärputsch in die Hände zu arbeiten, berichtet La Republica. Fujimori - nach dessen ganz speziellem Vorgehen im Jahre 1992 der Begriff des autogolpe (Selbstputsch) geprägt wurde - versuche auf diese Weise, sich als Retter der Demokratie darzustellen. Dies in einer Situation, die der keiner Radikalität verdächtige Perez de Cuéllar - 1995 im Wahlkampf Verlierer gegen Fujimori - kürzlich als die eines bereits fünf Jahre währenden, permanenten Staatsstreiches bezeichnete.