Saisonstart: 2. August

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Es gibt Artikel, die müssen in bestimmten Zeitabständen nahezu identisch wieder und wieder geschrieben und gelesen werden. Jeden März etwa erscheint zwingend eine Abhandlung über die neue 12-Pfund-in-8-Tagen-Frühjahrsdiät. Und zweimal wöchentlich eine über die jüngste G-Punkt-Ekstase-Massage. Auch Bundesliga-Vorberichte gehören zweifellos in diese Kategorie.

Solche Artikel sind ebenso verhaßt wie sie geliebt werden. Denn was ist in einem Bundesliga-Vorbericht schon Spannendes zu erfahren? Grad mal gar nix! Sicherlich, irgendwie werden die Zeilen schon gefüllt, schließlich gibt es ja ständig reichlich Bosman-Urteile und rekordverdächtige Ablösesummen, Trainerwechsel und Diskussionen darüber, ob die Tore ab sofort zwei Meter höher sein sollen bzw. die Bälle sechseckig. Aber letztlich sind das marginale Fragen, vergleichbar den Überlegungen, ob man seine 12 Pfund nun durch Genuß von Krabben, Kiwis, Quitten oder Quallen verlieren soll. Wahrscheinlich bestünde der ehrlichste Diätplan einzig aus den Worten "Fressen Sie die Hälfte!" und der ehrlichste Bundesliga-Vorbericht aus den Worten "Saisonstart: 2. August!". Damit wäre alles Essentielle gesagt, der G-Punkt des Lesers quasi aufs ekstatischste massiert.

Trotzdem werden Bundesliga-Vorberichte im Durchschnitt siebenundzwanzigmal gelesen. Denn Jahr für Jahr erneuert sich mit dem Erscheinen dieser Artikel die kollektive Geistesverwirrung der Fans diesseits und jenseits der Diskette gegenüber dem Fußball. Spätestens ab diesem Termin spürt jeder, daß es nur noch wenige Tage sind bis zum Start der nächsten Saison. Plötzlich spürt jeder, wie lau, wie herzzerreißend langweilig, wie quasi den G-Punkt um 20 Zentimeter verfehlend der Zeitvertreib war, mit dem er sich über die Sommerpause gequält hat. Egal, ob die Leichtathletik-Rekorde reihenweise purzelten, ob Rostocker Rotzlöffel gelben Zwirn durch Frankreich kutschierten, oder gar vormals 17jährige Leimener Rücktritte erklärten: Alles war erbärmlich.

Sogar der Fußball selbst war erbärmlich. Eine echte Pause kennt er ja nicht, immer schon ist er mitten im Juli über Dorfplätze und durch Intertoto-Runden gestromert, hat seit Jahren in Fuji-Cups und Ligapokalen übersommert. Doch das hat nie gezählt: Wer kann schon entscheiden, wer gut ist und wer böse, wenn Servette Genf und Borussia Mönchengladbach bei 31 Grad Celsius im Osnabrücker Piepenbrockstadion zum UI-Cup-Gruppenspiel aufeinandertreffen?

Jetzt aber kehrt der Fußball für ein Dreivierteljahr zurück in sein Freigehege, wo das Spiel 90 Minuten dauert und nach dem 34. Spieltag abgerechnet wird. Und gerade diese Sicherheit, diese Vorhersehbarkeit macht es möglich, sich dem Fansein wieder genauso hemmungslos und wüst hinzugeben wie in jedem Jahr: Wieder werden Außenseiter über sich hinauswachsen oder auch nicht, wieder wird der Ausgleichtreffer in der 88. Minute fallen, wieder werden wir uns über Kommentatoren ärgern, für die ein Schuß immer wie an der Schnur gezogen und ein Auftakt immer nach Maß ist, wieder werden unsere Liebesbeziehungen auf umso härtere Proben gestellt werden, je näher die Meisterschaftsentscheidung naht, und wieder wird niemand uns verstehen, der unsere Leidenschaft nicht teilt.

Es wird alles sein wie in jeder Saison. Für einige von uns schon zum 35. Mal. We'll never walk alone!