Warlord gewählt

Charles Taylor wird im ersten Wahlgang neuer Präsident Liberias

Die schlechte Nachricht zuerst: Der neue Präsident Liberias heißt Charles Taylor. Die gute: Die Legislaturperiode dauert nur fünf Jahre, und nicht wie in anderen afrikanischen Ländern sieben. Taylor hatte zwar während des Wahlkampfs angekündigt, im Falle seines Siegs eine "Regierung der nationalen Versöhnung" auf breiter gesellschaftlicher Basis zu bilden. Doch ob er dieses Versprechen hält, ist mehr als unsicher. Denn schon die Übergangsregierung, in der alle wichtigen Bürgerkriegsparteien vertreten und Taylor nur einer unter vielen war, war nie handlungsfähig - nicht zuletzt, weil Taylor sich querstellte. Außerdem hatten erst Ende Oktober Kämpfer der Einheiten George Boleys, der seine Bürgerkriegsfraktion ebenso wie Taylor in eine Partei umwandelte und sich dann dem Anti-Taylor-Lager angeschloß, einen Handgranatenanschlag auf den heutigen Präsidenten verübt; nicht die beste Empfehlung, um in eine künftige Regierung aufgenommen zu werden.

Auch wenn der Wahlprozeß internationalen Beobachtern zufolge frei und fair verlief, bleiben doch viele Fragen offen. Werden die Verlierer der Wahl wieder zu den Waffen greifen? Insbesondere dann, wenn sich herausstellen sollte, daß Taylor nur seine Klientel in die Führungspositionen aufnimmt? Außer Frage steht, daß in Verstecken ausreichend Waffen gebunkert sind; auch wenn die Ecomog-Friedenstruppe behauptet, die Entwaffnung sei abgeschlossen. Wird Taylors wilder Haufen den Kern der zukünftigen Armee bilden?

Sein Kantersieg schon im ersten Wahlgang - für ihn stimmten drei Viertel der 700 000 Wahlberechtigten - hat alle Beobachter überrascht. Ein Bündel von Gründen dürfte dafür verantwortlich sein. Zum einen konnten bisher nur wenige der Flüchtlinge, die vor Taylors Kampfmaschinerie in die Nachbarländer geflohen war, zurückkehren und sich als Wähler registrieren lassen. Taylor hatte Zugang zum größten Propaganda-Apparat. Er besitzt eine Tageszeitung, einen eigenen Radiosender und verfügt darüber hinaus über das größte Budget. Nach Berechnungen des US-Außenministeriums soll er in den ersten sechs Kriegsjahren allein durch die Vergabe von Schürfrechten für Bergwerksfirmen in seinem Gebiet 450 Millionen US-Dollar verdient haben. Dazu kommt noch der Verkauf von Tropenholz, den er über den Atlantikhafen Buchanan organisierte. Außerdem war der Großteil des Landes noch unter seiner militärischen Kontrolle.

Bei einem solch hohen Stimmenanteil müssen aber auch große Teile der Bevölkerung für Taylor gestimmt haben, die nicht seiner "ethnischen" Klientel angehören. Liberia war seit der Diktatur Samuel K. Does in den achtziger Jahren stark an tribalistischen Linien ausgerichtet. Doe stützte seine Herrschaft vor allem auf seine eigene "Ethnie", die Krahn, während die anderen Bevölkerungsgruppen von den Führungspositionen ausgeschlossen blieben - und in Krisenzeiten Verfolgung ausgesetzt waren. Davon profitierte Taylor während des Bürgerkriegs, wo er sich als Retter der Mano und Dan darstellen konnte.

Inzwischen profiliert er sich als verantwortungsvoller Politiker, der von sich behauptet, das Land versöhnen zu können. Zur Imageverbesserung im stark christlich geprägten Liberia dürfte ebenfalls beigetragen haben, daß sich Taylor öffentlich entschuldigte und um Vergebung für die Verwüstungen bat, die im Krieg angerichtet wurden.

Charles Taylor hat angekündigt, die künftige liberianische Armee von nigerianischen Offizieren ausbilden zu lassen, um den Einfluß Nigerias auch nach dem Abzug der Ecomog-Friedenstruppe zum Jahresende zu wahren. Damit hat sich Taylor, für den Sani Abachas Vorgänger Ibrahim Babangida noch ein "schwarzer Hitler" war, mit der nigerianischen Militärjunta arrangiert - und sie sich mit ihm. Und Abacha konnte noch etwas lernen für die Wahlen in Nigeria im nächsten Sommer: Wenn aus einem Warlord ein demokratisch gewählter Präsident werden kann, wieso dann nicht auch aus einem Juntachef?