Auf nach Havanna!

14. Weltfestspiele der Jugend auf Kuba. Anstatt sich mit Marxschen Kategorien zu plagen, zelebriert die Linke ihren alten Glauben
Nach der mehrjährigen Aussetzung der Weltfestspiele der Jugend nach der peinlichen Veranstaltung Jugend nach der peinlichen Veranstaltung 1989
im "sozialistischen" Pjöngjang ist es dieses Jahr erneut zu dem großen Ereignis gekommen, das die Jugend der Welt im Namen der "anti-imperialistischen Solidarität, des Friedens und der Freundschaft" vereinen soll. Bedauerlicherweise mußte diese "anti-imperialistische Solidarität" im gleichen Maße schrumpfen, wie die herrschende Bürokratie in den ehemals "sozialistischen" Ländern sich gezwungen sah, eine Modernisierung einzuleiten, die es immer schwieriger macht, zu unterscheiden, was Sozialismus und was Kapitalismus ist.

Die Objekte der anti-imperialistischen Solidarität brachen nacheinander weg, und übrig blieb nur noch jene kleine Insel, an die sich die Hoffnung auf Revolution zu klammern hat, geht es nach den Hinterbliebenen der Fangemeinde bürokratischer Gesellschaften. Daß dies keinen Grund darstellt, sich einigen offenen Frage zu stellen, haben die linken Nostalgiker eindrücklich klargemacht, indem sie diese Fragen einfach ignorierten: Ob das, was großschnäuzig als "Sozialismus" bezeichnet wurde, nicht lediglich die Form war, unter den Bedingungen relativer Rückständigkeit Warenproduktion und Lohnarbeit durchzusetzen; ob der Begriff "ursprüngliche sozialistische Akkumulation" nicht treffend war für den Prozeß der Durchsetzung kapitalistischer Strukturen, zieht man das "sozialistisch" von dem Begriffsungeheuer ab; warum der Übergang vom Sozialismus zum Kommunismus nicht so richtig in Gang kommen wollte, warum der Staat nicht, wie eigentlich projektiert, abgestorben ist, sondern sich permanent verstärkte und seine bürokratischen Eigentümer sich in den verschiedensten "Säuberungswellen" gegenseitig in die ewigen revolutionären Jagdgründe beförderten; wie es dazu kommen konnte, daß sich innerhalb "sozialistischer Staaten" antagonistische Kämpfe der ArbeiterInnen entwickeln konnten; undsoweiter undsofort.

Kuba bietet sich aus mindestens drei Gründen als ideale Projektionsfläche für die bürokratischen Ideologen der anti-imperialistischen Solidarität an. Das dreißig Jahre andauernde Embargo durch den "Hauptfeind der Menschheit", die USA, macht es möglich, die für alle offensichtlichen Schwierigkeiten im "sozialistischen Aufbau" nicht in der kubanischen Gesellschaft selbst zu verorten, sondern nach außen zu projizieren, ohne sich groß über eine materialistische Analyse Gedanken zu machen, die mit den ach so sperrigen Kategorien von Marx hantiert. Die im Vergleich zu anderen lateinamerikanischen Staaten relativ angenehmere soziale Situation der Lohnsklaven (Krankenhäuser, Krankenhäuser!) verstärkte diesen Reflex noch, bis dahin, daß es keinem der Kuba-Anhänger mehr auffällt, daß das Durcheinander aus angeblich "sozialistischen" und real kapitalistischen wirtschaftlichen Elementen, woraus die Wirtschaftspolitik des kubanischen Staates nach den Aussagen seiner Repräsentanten besteht, jedem an Marx geschulten kritischen Denken Hohn spricht. Staatschef Fidel Castro schließlich, der als "maximo l'der" tituliert wird, ohne daß deutschen Linken gewisse Affinitäten zu einem ganz anderen Führerkult auffallen, erfüllt die zutiefst autoritäre Sehnsucht nach einem, der ohne lange Diskussionen sagt, wo es lang zu gehen hat, und der über die entsprechenden Machtmittel verfügt, dies auch durchzusetzen.

Die lächerliche Ikonisierung Che Guevaras zuguterletzt ist der Anreiz für schlichtere Gemüter, sich umstandslos in eine internationale Solidaritätsbewegung einzupassen, die sich an den Forderungen des kubanischen Staates und einem nostalgischen Bild der Revolution orientiert, das jeden Bezug zu den tatsächlich stattfindenden Kämpfen verloren hat. Was war daran sozialistisch, als Fidel Castro dem ehemaligen Staatschef Panamas, dem ehrenwerten Noriega, seine Unterstützung anbot - im Namen der "anti-imperialistischen Solidarität" -, als die USA den nebenberuflichen Drogenexporteur gerade fallen ließen? Wenn die kubanische Bürokratie traditionell gute Beziehungen zum mexikanischen Staat unterhält, wie ist dann ihr Verhältnis zu den aufständischen Zapatistas? Ketzerische Fragen, die keiner Antwort wert sind, da sie den Glauben in den Sozialismus erschüttern könnten.

Das Spiel, die alten, mystifizierten Schlachten der Vergangenheit zwischen östlicher und westlicher Variante der Warengesellschaft in eine dadurch noch mystifiziertere Gegenwart zu verlängern, beherrschen selbstverständlich auch die restlichen Apologeten des Kapitalismus. Es kommt ihnen entgegen, läßt sich dadurch doch, so hoffen sie, vermeiden, daß die wirklichen skandalösen Ursachen des Elends - die in ihren Augen sakrosankte Allianz von Warenökonomie und Staat - ins Schußfeld der Kritik geraten. Die Eliminierung des geschichtlichen Denkens stellt insofern die Klammer dar, die die Bewunderer der Bürokratisierung, die scheiterte - der "sozialistischen" -, mit den Bewunderern der Bürokratisierung, die erfolgreich war - der kapitalistischen -, verbindet. Das Personal, das den katastrophischen Kurs des Kapitalismus verwaltet, rekrutiert sich ohnehin aus beiden Lagern - nicht nur in Deutschland, wo dies noch niemandem aufgefallen zu sein scheint, da jeder kritische Gedanke importiert werden muß und die zeitliche Verzögerung durch diesen Import selten zehn Jahre unterschreitet.