Den Reigen zum Kreis geschlossen

Der Kanzler grüßt verdiente Fußball-Sportler im Land: "Ich freue mich" - "und gratuliere sehr herzlich"

Vor kurzem rief mich aus Hamburg der sehr verständige Herr Sokolowsky an. Ohne Umschweife riet er mir, jetzt mal ruhig zu sein und zuzuhören. Es würde sich lohnen.

Er hatte recht. In den folgenden Minuten las er mir auszugsweise die letzte Seite des Bulletins der Bundesregierung Nr. 44/1997 vor. Nach Abschluß seiner eindrucksvollen, tränentreibenden Rezitation faxte Soko dann besagtes Papier: ein DIN-A-4-Blatt, auf dem drei ungefähr gleich lange Schreiben, genauer: drei Telegramme unseres Bundeskanzlers dokumentiert waren, jedes betitelt mit "Glückwünsche an den ..." und jeweils einem Vereinsnamen: "FC Schalke 04", "FC Bayern München" und "BV Borussia 09 Dortmund".

Arrangiert zu modernen, ja klassisch anmutenden Episteln, gaben des Kanzlers Berichte von seiner tief empfundenen Freude über jüngst erzielte Erfolge in nationalen und internationalen Wettbewerben jene spirituelle, ja metaphysische Bedeutungsschicht frei, die bislang allein Ror Wolfs Fußballpoesie entborgen hatte. Bündiger als hier, directement aus dem Munde des zweiten Mannes im Staate, war seit Punkt ist Punkt der Fußballbegeisterung nicht Ausdruck verliehen worden.

"Der Bundeskanzler sandte an den Präsidenten des FC Schalke 04, Gerhard Rehberg, Gelsenkirchen, folgendes Glückwunschschreiben:

"Sehr geehrter Herr Präsident,

mit einer großartigen Leistung hat die Mannschaft des FC Schalke 04 in einem bis zum Schluß spannenden Wettbewerb den UEFA-Pokal gewonnen. Ich teile die Freude der Spieler und der Fans über diesen größten Erfolg in der Geschichte Ihres traditionsreichen Vereins und gratuliere den Spielern, dem Trainer und allen, die zu dieser herausragenden Leistung beigetragen haben, sehr herzlich.

Für die kommenden Aufgaben wünsche ich dem FC Schalke 04 alles Gute und viel Erfolg.

Mit freundlichen Grüßen, Ihr Helmut Kohl."

In der nächsten Spalte folgten Worte an, wie gesagt, den FC Bayern München. "Ich freue mich mit der großen Fangemeinde über diesen herausragenden Erfolg", hob der Mächtige und Gütige an, schien die Spieler diesmal jedoch vorerst zurückzustellen, um plötzlich, behende auf die Peripetie zuschreitend, hinterherzuwuchten: "und gratuliere Ihnen dazu" - nun, wie? - "sehr herzlich." Sehr herzlich aber wem? "Natürlich den Spielern und dem Trainer" und darüber hinaus "all den anderen, die durch ihr Wirken im Hintergrund zu diesem Ergebnis beigetragen haben."

Keine "herausragende Leistung", wohl wahr, nannte er die Münchner Meisterschaft, sondern bloß einen "herausragenden Erfolg", doch schwere Aufgaben stünden immerhin bevor: "In der nächsten Saison kommen erneut schwere nationale und internationale Aufgaben auf den FC Bayern München zu." Somit "wünsche ich Ihnen", dem "Präsidenten des FC Bayern München, Franz Beckenbauer, München", "und der Mannschaft viel Glück und viel Erfolg.

Ihr ..."

Rund schloß der Reigen zum Kreise sich: "Ich freue mich, daß Borussia Dortmund diesen europäischen Titel gewonnen hat und gratuliere" - und gratuliere? Und "gratuliere der Mannschaft, dem Trainer" und den Fans? Der Fangemeinde? - "und all denen, die im Hintergrund zu diesem" äh: "herausragenden Ereignis beigetragen haben" - hm ... jo ... tja ...: "sehr herzlich. Für die kommende Saison, in der erneut schwere Aufgaben auf den BV Borussia Dortmund warten, wünsche ich dem Verein und der Mannschaft viel Glück und Erfolg."

Hier endet Seite 468 des Bulletins Nr. 44. Und wie ich auch gesucht habe, keine Grußadressenkolonne des Genossen Stalin an die Werktätigen der milchverarbeitenden Industrie vermochte je ein ähnlich beständig hohes Niveau zu halten.

Um unser Land und seinen Fußball muß niemandem mehr bange sein.