07.08.1997

Salzletten für Rehhagel!

Trotz des Sieges gegen die Bayern: Otto Rehhagels Zeit beim 1.FC Kaiserslautern ist abgelaufen

Es war seine erste Begegnung mit dem 1. FC Kaiserslautern. Am 7. September 1963, dem 3. Spieltag der neugegründeten Fußball-Bundesliga, ging Otto Rehhagel im Berliner Olympiastadion zu Boden. Der Verteidiger von Hertha BSC Berlin hatte den Ellenbogen des damaligen Lauterer Mittelfeldspielers Co Prins in die Magengrube bekommen. "Plötzlich stand der neben mir, und ich dachte, was mag der wohl wollen. Doch noch ehe ich zu Ende gedacht hatte, lag ich auf dem Rasen und starrte in dem Himmel", erinnerte sich Rehhagel nach dem Spiel. Aber er nahm es Prins nicht übel, und beim gemeinsamen Abendessen nach dem Spiel hatten beide viel zu lachen.

34 Jahre später, als Trainer des 1. FC Kaiserslautern, findet Rehhagel gar nichts mehr lustig. Selten hatte ein so humorloser und unzugänglicher Fußballtrainer auf dem Betzenberg das Sagen. Selbst der in seinen besten Lauterer Jahren zuweilen arrogante Karlheinz Feldkamp wirkt da im nachhinein wie ein Menschenfreund.

Was Rehhagel dazu getrieben hat, sich ein ganzes Jahr lang mit einem Absteiger zu langweilen, hat er oft genug erklärt. Mit Hochmut. Seinen Freunden, dem (Noch)-Aufsichtsratsvorsitzenden Jürgen Friedrich, und Präsident Hubert Keßler wollte er einen Dienst "unter Freunden" erweisen. Schließlich hatte er mit Friedrich zusammen beim 1. FCK gespielt, und Keßler zehrt heute noch von dem Erlebnis, als er 1966 Rehhagel vom Lauterer Bahnhof abholte und auf den Betzenberg fuhr.

Eigentlich könnte ein Trainer, der mit einem Absteiger gleich wieder aufgestiegen ist, sich feiern lassen.

Nicht so Otto Rehhagel. Der erntete bei den Fans nur Pfiffe, weil er schlecht von FCK-Manager Hans-Peter Briegel, dem zweiten FCK-Denkmal nach Fritz Walter gesprochen hatte. So etwas tut man in der Pfalz nicht ungestraft. Doch Rehhagel will kein Diplomat sein, nicht zugänglich, und vor Menschen, so sie nicht seine "Freunde" sind, ist er permanent auf der Flucht. Widerwillig stellt er sich den Fragen der Journalisten, beantwortet sie stereotyp mit maskenhaftem Gesicht. Und in der letzten Reihe im Presseraum sitzt Frau Beate einträchtig mit dem Präsidenten und merkt sich diejenigen, die ihren Mann nicht verstehen wollen. Der erzählt derweil zum hundertstenmal, daß es keine jungen und alten, sondern nur gute und schlechte Fußballspieler gibt, daß Hans-Peter Briegel noch nicht Deutscher Meister war und kein Mann von Welt ist - und vergrault mit seiner herablassenden Art auch noch die wenigen, die zu ihm halten.

Aber Rehhagel kümmert das nicht. Er fühlt sich nicht nur wohl in seiner Rolle, er ist längst in ihr aufgegangen, und zwar ganz. Nicht ohne Grund hatte er sich im Juli 1996 ausbedungen, "nur meinen Freunden Jürgen Friedrich und Hubert Keßler Rechenschaft schuldig zu sein". So bleibt der Kreis seiner Gesprächspartner überschaubar. Tatsächlich hat der 1. FC Kaiserslautern auf seiner Führungsebene fußballerische Kompetenz zu bieten wie außer Bayern München kein zweiter Klub in der Bundesliga: Friedrich, einst gefeierter Mittelfeldspieler und von 1977 bis 1981 und von 1985 bis 1988 Präsident des 1. FCK, auf der einen Seite und Briegel, Europameister, zweifacher WM-Zweiter, italienischer Meister und Pokalsieger und ehemals Fußballer des Jahres, auf der anderen Seite.

Längst leidet die Mannschaft unter den Querelen zwischen Manager, Trainer und Führungsebene. Doch seit Rehhagel im Juli 1996 seinen Dienst begann, den bereits unter Eckhart Krautzun gewählten Kapitän Olaf Marschall absetzte und den abgewählten Andreas Brehme wiederwählen ließ, traut sich keiner mehr so recht den Mund aufzumachen. Wenn die Spieler die Trainingsmethoden des Meistertrainers kritisieren, geschieht dies meist hinter vorgehaltener Hand.

Die jungen Spieler, wie Thomas Riedl und Marco Reich haben sich bereits angepaßt. Längst hat Reich den Spruch "Der Trainer wird schon wissen, was er macht" so sehr verinnerlicht, daß er seinen Ärger über nur gelegentliche Kurzeinsätze nicht mehr herausläßt. Dagegen hat Riedl, nach bestandenem Abitur ein mobiler Mann, auch schon mit seinem Weggang gedroht, falls er keine faire Chance bekomme. Auf diese Weise gingen dem 1. FCK bereits Thomas Hengen (Karlsruher SC), Marco Haber (VfB Stuttgart) und einst auch Mario Basler (Bayern München) verloren.

Da verwundert es, daß ausgerechnet Rehhagel, der auf Erfahrung setzt, den Chemnitzer U-21-Nationalspieler Michael Ballack (20) verpflichtet hat. Der ist noch selbstbewußt, will mit dabei sein und es sich und dem Trainer beweisen. Aber Rehhagel hat den jungen Mann bereits auf seine Art und Weise abgestraft. Als Ballack bei der Jahrespressekonferenz um ein Statement zum Saisonstart bei Bayern München gebeten wurde, kam er gar nicht erst dazu zu antworten. Verblüfft hörte er die Worte des Trainers: "Der kann gar nichts über die Bayern sagen, der kennt die doch nur aus dem Fernseher!"

Vor dem Fernseher könnte in naher Zukunft auch Otto Rehhagel sitzen, wenn die Bundesliga spielt. Sein Freund Friedrich ist wegen ungeschickt angepackter Geschäfte für den 1. FCK ins Gerede gekommen und schwankt derzeit zwischen freiwilligem Rücktritt und Weitermachen - trotz heftigen Widerstands aus den Reihen der Mitglieder.

Entscheidet sich Friedrich für den Abgang, muß Rehhagel mitziehen. Mit Sicherheit.