Bombenspiele in Havanna

Die Weltfestspielen in Kuba sind zu Ende. Die Anschlagserie wird heruntergespielt

Mit einer prominent besetzten Abschlußzeremonie endeten am 5. August die 14. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Kuba. Der Comandante en Jefe, Fidel Castro, war ebenso erschienen wie zahlreiche Politbüromitglieder, Minister und gesellschaftliche Größen. Mit Tanz, Feuerwerk und der Hymne auf Ché Guevara wurde die "Jugend der Welt" verabschiedet. Für je 250 Dollar hatte Kuba über eine Woche lang 11 335 Delegierte aus 131 Staaten beherbergt. Gerechnet hatte die Veranstalter nur mit 8 000 Teilnehmern, so daß sie allein deren hohe Zahl als großen Erfolg feiern konnten.

Inzwischen herrscht in Havanna wieder der Alltag: Die Bühnen, auf denen nationale und internationale Stars auftraten, sind abgebaut, auf Lastwagen werden die Metallstangen der Essens- und Getränkestände abtransportiert, die letzten Pappbecher werden zusammengefegt - langsam werden die Spuren beseitigt, die die Jugend der Welt hinterlassen hat.

"Der Gürtel muß nach dem teuren Festival wieder enger geschnallt werden", unkt Alberto, Maurer auf einer der zahlreichen Baustellen in Havanna. Von dem Festival hat er nicht viel mitbekommen, fürchtet aber, daß jetzt das Warenangebot knapp wird. Zwei bis dreimal pro Woche arbeitet er abends schwarz, um sich über Wasser zu halten. Auch heute abend nimmt er nach der Arbeit auf der staatlichen Baustelle die Kelle wieder in die Hand. "Die Löhne haben jeden Bezug zur Realität verloren. Fast alle hier müssen was dazuverdienen. Die einen arbeiten nach Feierabend in ihrem Beruf auf eigene Rechnung. Andere verkaufen das, was sie auf der Arbeit klauen, auf dem Schwarzmarkt, die Dritten setzen auf den Handel mit Touristen. Aber alle schlagen sich mehr oder minder illegal durchs Leben."

Für viele Kubaner blieb da wenig Zeit, am Festival teilzunehmen. Die meisten erfuhren von dem Spektakel "für die antiimperialistische Solidarität, Frieden und Freundschaft" nur aus den Nachrichten. Spannender waren da die Berichte von Kollegen, die an einer der Veranstaltungen teilnahmen oder einen Delegierten bei sich unterbrachten. "Da gab es dann richtig viel zu erzählen. Diskussionen über die aktuelle Situation hier, über die Schwierigkeiten, sein Leben zu organisieren. Viele Delegierte waren richtig neugierig auf die andere Seite Kubas", erzählt Sérgio, Techniker in einem meterologischen Institut.

Was wohl den meisten Kubanern in Erinnerung bleiben wird, ist die Live-Übertragung der Abschlußveranstaltung auf beiden kubanischen Fernsehkanälen. "Ein wunderbarer Abschluß für das Festival, schön anzuschauen. Aber auf der Straße wird mehr über die neuen Steuern für Vermieter geredet, die ab dem 1. September erhoben werden sollen. Oder über die Bombenexplosion im Hotel "Cohiba"", meint Carlos, Dozent an der Universität Havannas. Der Anschlag, am 4. August kurz vor Abschluß des Festivals, war dem Innenministerium zufolge nahezu identisch mit denen vom 12. Juli auf die Hotels "Capri" und "Nacional". Verletzte im Hotel "Nacional", geringer Sachschaden bei den Explosionen im Hotel "Cohiba" und "Capri". Analysen kubanischer Spezialisten ergaben, daß der Sprengstoff aus den USA stammt, wo das kubanische Innenministerium auch die Täter vermutet.

Deutlicher wurde die Parteizeitung Granma. Sie will die Verantwortlichen in der exilkubanischen Organisation Alpha 66 ausgemacht haben. Deren führender Kopf, Andrés Nazario Sargent, sagte der Agentur Notimex, daß "wir, geschichtlich betrachtet, die Verantwortlichen für nahezu alle gewaltsamen Aktionen in Kuba sind", ohne jedoch die Verantwortung für die jüngste Anschlagserie zu übernehmen. Das Ziel derartiger Aktionen ist für die kubanischen Medien klar: Es geht darum, den Touristen, mittlerweile Kubas wichtigste Devisenquelle, den Urlaub auf der Insel zu vermiesen.

Die Anschläge, die Europäer um ihre Urlaubsruhe bringen sollten, bewegten die meisten Einheimischen allerdings kaum. Für weit mehr Aufsehen sorgte hier das Gerücht, daß eine Explosion in einem Kraftwerk in Havanna auf eine Bombe zurückzuführen sei. Wie ein Lauffeuer verbreitete es sich in der Stadt, ohne daß von offizieller Seite eine Stellungnahme zu hören war.

Es war die Nacht zum Sonntag, den 3. August, als am Malecon, Havannas Uferpromenade, das Licht ausging. Allseits Verwunderung bei den Besuchern der Diskothek "La Pampa". Stromabschaltungen hatte es in diesem Viertel selbst in den schwersten Jahren des "periodo especial" nicht gegeben. Das Ganze mußte also einen anderen Grund haben. Allein "Radio Reloj" vermeldete den Stromausfall - allerdings ohne sich über eine mögliche Ursache auszulassen. Dem Fernsehen und den Zeitungen war das ganze nicht einmal eine Meldung wert. Für die mit der staatlichen Informationspolitik vertrauten Kubaner war damit der Fall klar: Es mußte etwas Außergewöhnliches passiert sein. Informationen würden frühestens nach Ende des prestigeträchtigen Festivals bekanntgegeben. Doch auch danach schwieg das offizielle Havanna. "Wenn irgendetwas Außergewöhnliches passiert, muß die Bevölkerung doch informiert werden", schimpft Carlos, der selbst vom Stromausfall betroffen war. "Warum nicht in diesem Fall? Wenn es ein Anschlag war, muß die Bevölkerung es genauso wissen wie bei einem technischen Defekt; schließlich ist sie davon betroffen."

Dieses Verhalten der zuständigen Stellen nährt die Spekulationen über die Ursache des Vorfalls. Auch als am 12. April ein Sprengsatz im Luxushotel "Cohiba" explodierte, schwieg sich die kubanischen Presse aus. Und auch der Fund eines kleinen Sprengkörpers am 1. Mai im gleichen Hotel gelangte erst Monate später an die ...ffentlichkeit. Über diese Informationspraxis ärgert sich auch Sérgio. Für ihn ist es mehr als ein Gerücht, daß die jüngste Explosion ein Sabotageakt war. "Ich habe mit einem Freund gesprochen, der in dem Kraftwerk, das auch verschiedenen militärische Einrichtungen versorgt, arbeitet. Er hat die Gerüchte, die auf der Straße kursieren, bestätigt, ohne allerdings Genaueres erzählen zu wollen." Sérgio hält es wie viele in Kuba für wahrscheinlich, daß auch diese Explosion auf das Konto der Paramilitärs von Alpha 66 geht, die während des Festivals übers Radio jeden Morgen zu Sabotageakten aufriefen.

Doch nach einer Woche interessiert sich kaum jemand mehr für den Stromausfall. Die Gespräche drehen sich wieder um die ganz normalen Alltagssorgen: Es wird über die Unzulängleichkeiten bei der Versorgung gemeckert, die jüngsten Sportergebnisse diskutiert. Man fragt sich wie man das Geld für's Essen auftreiben soll und freut sich auf die Telenovela am Abend.