Damen!

Die Zeit arbeitet gegen Sie, und früher war alles besser? Ich bitte Sie? Das Gegenteil ist der Fall! Oder möchten Sie etwa noch ultimativ verpflichtet sein, spätabends ein schreiendes Makeup aufzutragen, sich in häßliche Klamotten zu werfen, in noch häßlicheren Schuhen die Treppen hinunterzutrampeln, um dann mit Altersgenossen, die Ihnen in puncto Aussehen das Wasser reichen können, eine angesagte Kneipe nach der anderen aufzusuchen?

Ist es nicht zu und zu schön, statt dessen in Ihrem gemütlichen Bett zu liegen - Kopfteil verstellbar und eine Wärmflasche an den Füßen - einen dicken Schmöker wegzulesen und sich mit angenehmem Schaudern an jene Zeiten zu erinnern, als Sie noch glaubten, das Leben würde an Ihnen vorbeirauschen, wenn Sie mal einen Abend zu Haus' blieben?

Wer allerdings tatsächlich an Ihnen vorbeigerauscht ist, das ist Ihr Traummann. Und das ist auch besser so.

Sie wissen ja heute, daß ein Traummann auch immer den Garantieschein für ein böses Erwachen mit sich führt.

Dagegen kann Ihr persönlicher Lebensgefährte, der ein paar Zentimeter weiter - das will ich jetzt mal für Sie hoffen - vor sich hinschnarcht, immerhin einen Nagel halbwegs gerade einschlagen. Zwar sind seine Hüften etwas breiter und seine Schultern etwas schmaler, als man es erwarten würde, wenn man sich an der Reklame für Herrenparfüms orientiert hat, aber das ist Ihnen egal, dafür ist er jedenfalls nicht mit Ihrer besten Freundin durchgebrannt, oder höchstens beinahe.

Und ist es nicht herrlich, auf Reisen oder in Cafés völlig schamlos und in aller Seelenruhe Rosamunde Pilcher oder ein Kreuzworträtselheft auszupacken?

Schließlich stehen Sie keinesfalls mehr im Zentrum der Beobachtung Ihrer Mitreisenden oder der anderen Kaffeehaus-Gäste. Das standen Sie zwar noch nie, aber als Sie jung waren, wußten Sie das nicht. Ach Gott, wie ist das Leben schön!

Leider gibt es eine Situation, glücklicherweise aber nur eine, in der die Gefahr besteht, daß Sie lebensgeschichtlich wieder zurückfallen und zu einer verbitterten jungen Frau werden, zu einem aufsässigen Teenager, zu einem tobenden Kleinkind: Ihre Mutter kommt zu Besuch.

Versuchen Sie es mit Fassung zu tragen - hier arbeitet die Zeit nämlich für Sie.