Zip, Zap, Zapata

Der Kampf gegen das Vergessen

Die Medien interessieren sich nicht mehr für die EZLN und die Armee zieht den Belagerungsring enger

Für die EZLN-VertreterInnen Dalia und Felipe werden die Beifallsstürme auf dem "Zweiten Interkontinentalen Treffen für die Menschlichkeit und gegen den Neoliberalismus" ermutigend gewesen sein. Mut können die Zapatistas in Mexiko gebrauchen, denn besonders hoffnungsvoll ist ihre Lage derzeit nicht. Seit Monaten gibt es nicht viel Neues aus dem mexikanischen Südosten zu berichten, und das Alte ist für Guerilla unerfreulich genug. Der Krieg niedriger Intensität hat den Bundesstaat Chiapas fest im Griff. Im Kerngebiet der EZLN - dem Lacandonen-Urwald und dem Hochland, das die Stadt San Crist-bal de las Casas umgibt - ist die Bundesarmee massiv vertreten und baut ihre Präsenz langsam aber stetig aus. Die Führung der Zapatistas hat sich seit Mitte Januar nicht mehr der ...ffentlichkeit gezeigt. Im Norden des Bundesstaates wird eine Art Stellvertreterkrieg geführt. Paramilitärische Gruppen, die von der Regierungspartei PRI unterstützt werden oder sich direkt aus der Partei rekrutieren, gehen brutal gegen die mutmaßlichen SympathisantInnen der EZLN und die Mitglieder der linksoppositionellen PRD vor. Diese wehren sich zunehmend, in den letzten Wochen sind auf beiden Seiten gleichviele Tote zu beklagen. Von einem friedlichen Wandel, den die Zapatistas anstreben wollen und den auch die Regierung propagiert, kann keine Rede sein.

Die Gespräche zwischen den Konfliktparteien sind seit September 1996 abgebrochen. Der nun auch schon einige Monate amtierende neue Leiter der Regierungsdelegation, Pedro Joaqu'n Coldwell, sowie jüngst Präsident Ernesto Zedillo wollen die EZLN mit dem Hinweis auf die "demokratischen" Parlamentswahlen vom 6. Juli überreden, als rein zivile Kraft die Politik zu beeinflussen und wieder an den Verhandlungstisch zu kommen. Reaktionen auf diese Töne gab es bisher nicht. Doch Zedillo redet von einer "unerschöpflichen Geduld", eine Verhandlungslösung zu erreichen. Seine KritikerInnen weisen darauf hin, daß er es war, der mit seiner Ablehnung des von der parteiübergreifenden Parlamentskommission COCOPA vorgeschlagenen und der EZLN gutgeheißenen "Ind'gena-Gesetzes" jeglichen Fortschritt verhinderte. Auch unternahm die Zedillo-Regierung fast nichts, um das bisher einzige Abkommen aus den früheren Gesprächen umzusetzen: Die im Februar 1996 unterzeichneten Vereinbarungen von San Andrés füllten viel Papier, zeigten aber wenig konkrete Auswirkungen. Für die bis dahin eine recht erfolgreiche Vermittlerrolle einnehmende COCOPA bedeuteten diese zwei Rückschläge schließlich ihr Scheitern. Die Mitglieder konnten sich zudem nicht darauf einigen, ihren Gesetzentwurf ins Parlament einzubringen und den Präsident damit herauszufordern. Wenn im September das neue Parlament zusammentritt, wird auch die COCOPA völlig neu zusammengesetzt. Ihre Handlungsfähigkeit ist fraglich. Die Nationale Vermittlungskommission CONAI unter dem Vorsitz von Bischof Samuel Ruiz Garc'a hat ihre frühere Vorreiterrolle schon lange eingebüßt, da sie von der Regierung systematisch - und erfolgreich - ausgegrenzt wurde.

Die so hoch gelobten Wahlen vom 6. Juli, bei denen die PRI erstmals in ihrer Geschichte die absolute Mehrheit im Parlament verlor, verbessern nicht automatisch die Chancen der EZLN, ihre Forderungen durchzusetzen. Die Zapatistas haben mehrmals betont, bei keiner Partei tieferes Interesse für die Anliegen der EZLN und der Ind'genas vorzufinden. Das gilt auch für die linke PRD. Diese hat nach ihrem relativen Wahlerfolg, der sie zur konservativen PAN aufschließen ließ, vorrangig andere Ziele vor Augen als die Unterstützung der EZLN. Selbst wenn sie sich mehr für die Zapatistas einsetzen sollte als die politischen Gegner, so kann sie alleine keine Entscheidungen beispielsweise im Parlament herbeiführen. Da die Parteien und ihre führenden Persönlichkeiten jetzt schon die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2000 im Blickfeld haben und sich profilieren wollen, sind parteiübergreifende Vereinbarungen noch unwahrscheinlicher als in der ablaufenden Legislaturperiode unter absoluter PRI-Herrschaft. Nach wie vor kann die EZLN trotz aller Organisationsversuche nicht auf eine zivile Massenbasis zurückgreifen, die zu entsprechendem Druck auf die politischen Entscheidungsebenen in der Lage wäre. Das Dilemma ist allzu deutlich: Militärisch will und kann die EZLN wahrscheinlich auch nicht aktiv werden. Auf friedlichem Weg hat sie ebenfalls nicht die nötige Durchschlagskraft. Der Sinn neuer Gespräche mit der Regierung wird von einer Vielzahl mit ihr sympathisierender Organisationen und Personen unter den momentanen Bedingungen bezweifelt. So bleibt der EZLN kaum eine andere Alternative als auszuharren und gegen das Vergessen anzukämpfen. Dabei muß sie in Kauf nehmen, daß die Mobilisierung der sogenannten Zivilgesellschaft für ihre Anliegen immer schwieriger wird und die Regierung genau darauf setzt. Die Zapatistas sind in ihrer Lage nicht zu beneiden.