Fuckin’ Good Sound

Zum Tod des Musikers Fela Anikulapo Kuti. Ein Nachruf

Irgend ein Radiosender spielte einen Titel von Fela Ransome Kuti. So nannte er sich damals. Ein rollender, wogender und treibender Rhythmus zwischen Rumba und Highlife und Jazz - was ich damals als Fünfzehnjähriger alles noch gar nicht einzuordnen wußte.

Miles beeinflußte sein Trompetenspiel, Trane war dabei, wenn er zum Saxophon griff. Doch das war erst etwas später. Von Bläsern getragen war seine Musik immer, Big Band ganz sicher, und der Blues. Afro-Beat hat er seine Musik genannt, Ruf und Antwort im Spiel der Instrumente miteinander und im Wechsel zwischen der Stimme des Sängers und Band. Dabei hat Fela Kuti gar nicht versucht, richtig zu singen. Dennoch konnte man sich ihm nicht entziehen. Irgendwie hat er mich von da an nicht mehr losgelassen, und wann immer ich jemanden traf, der ein wenig mit Afrika zu tun gehabt hatte, der wußte auch von Fela Kuti. Und schnell war dann eine neue Geschichte über ihn erzählt, Legenden schon zu seinen Lebzeiten. Über seine vielen Frauen zum Beispiel.

Keine Frage, er hat oft mit seiner sexuellen Potenz geprotzt. 27 Frauen hat er einmal gleichzeitig geheiratet, es waren vor allem seine Backgroundsängerinnen. Warum? hat man ihn gefragt. Heiraten ist billiger, lautete seine lakonische Antwort. Solche Auftritte waren Teil der Selbstinszenierung eines Mannes, der das Spiel durchschaut hatte und wußte, daß ihm seine exzentrischen Ausbrüche das sicherten, was er brauchte, um seine politischen Ansichten formulieren zu können: volle Stadien. In den USA hat er sich in den siebziger und achtziger Jahren mühelos 80 000 Menschen in den Football-Arenen zusammengebracht. Immer hatten bei ihm die Texte Priorität, erst dann kam die Musik. Tanzen sollte sein, aber mit "eingeschaltetem Kopf".

Fela Kutis zur Schau gestelltem Macho-Gehabe stand sein wohl größter Hit entgegen: "Lady", über das Selbstbewußtsein, die Selbstbestimmtheit moderner Frauen im urbanen Afrika und anderswo. Nicht etwa: "Woman Is the Nigger of the World." Im Gegenteil: "Lady na masta" - die Frau ist der Chef!

Die politische Programmatik Fela Kutis ist von Malcolm X und, zum Teil von Kwame Nkrumah, beeinflußt worden. Fela hat "Black Power" re-afrikanisiert, radikalisiert und damit die Jugendlichen und Intellektuellen seines Landes politisiert. Auch das hat ihn, der konsequent nach seinen politischen Überzeugungen lebte, wenn es sein mußte, rücksichtslos gegen sich selbst, so populär gemacht. Ein Text von Fela Kuti konnte die Gesellschaft erschüttern: mit tosendem Gelächter. Oder das ganze Land lahmlegen.

Die aufeinander folgenden Militärdiktaturen in Nigeria haben immer wieder versucht, ihn loszuwerden oder mundtot zu machen. Man hat ihn inhaftiert, verprügelt. "Menschenhandel" lautete einer der Anklagepunkte: Nach einer Tournee durch die USA kehrten von ursprünglich vierzig nur noch reichlich zwanzig seiner Musiker mit ihm nach Nigeria zurück. Die anderen waren in den USA geblieben, um dort eigene musikalische Projekte zu verwirklichen.

Ein anderes Mal mußten bei der Rückkehr von einer Tournee ein paar Flaschen Whisky zuviel im Gepäck für die Anklage herhalten, mehrfach ging es um den Besitz von Rauschgift. Fela Kuti hat nie einen Hehl daraus gemacht, bisweilen am Hanfseil zu hängen - manchmal auch öfter. "NNO" hat er es genannt, Nigerian Natural Grass. Einmal stürmte die Polizei sein Anwesen auf der Suche nach Rauschgift und verhaftete ihn. Die kurz nach diesem Zwischenfall veröffentlichte LP enthielt dann folgende höhnische Bemerkung: "Die uniformierten Männer beschuldigten mich, den Hanf verschluckt zu haben. Meine Scheiße wurde zum Labortest geschickt. Ergebnis negativ, und das heißt: teure Scheiße." "Expensive Shit" war dann auch der Titel des Albums.

Fela Kuti war nicht kleinzukriegen. Man hat ihn wegen Devisenschmuggels verurteilt, es ging um 16 000 Dollar, die er angeblich außer Landes bringen wollte. Fünf Jahre, lautete das Urteil. Einen Teil dieser Strafe mußte er im berüchtigten Kirikiri-Gefängnis verbüßen. Von seinen afrikanischen Musikerkollegen setzte sich lediglich Salif Keita für ihn ein. Am Tage seiner Haftentlassung entschuldigte sich der Richter bei ihm für die Verurteilung, zu der man ihn gezwungen hatte. Fela verkündete prompt, nun werde er für das Präsidentenamt kandidieren. Seine Partei wurde verboten, und Fela Kuti hatte die Lacher wieder auf seiner Seite.

Viele seiner Titel enthalten politische Anspielungen: "ITT" zum Beispiel - International Tief Tief (die internationalen Räuber.) Oder "Bonn" - Beast Of No Nation (Bestien aller Länder). Oder "US": Underground System: Im Covertext dieser CD aus dem Jahr 1992 schreibt Fela: "Martin Luther King hätte gesagt: ÝIch hatte einen Traum.Ü Ich aber sage: Ich war auf einem Sternenausflug und sah, daß Babinga (der frühere Militärdiktator Nigerias und ÝZiehvaterÜ Abachas) und Bush von ein und derselben Sorte sind. Underground System?"

Und seine Musik? Fela Kuti hat sie unbescheiden als "klassische afrikanische Musik" bezeichnet. In seiner Band gespielt zu haben, gilt noch heute als Referenzschreiben. Auch der südafrikanische Star-Trompeter Hugh Masekela ist durch seine harte Schule gegangen. Beschreiben läßt sich seine Musik nicht.

Oder doch? Fela Kuti gibt ein Interview. Er läßt den Journalisten warten. Dann betritt er den Raum. Wie immer mit freiem Oberkörper. Setzt sich auf die Couch. Ohne ein Wort. Raucht. Gras? Der Journalist stellt seine erste Frage. Keine Antwort. Der Journalist stellt seine erste Frage. Keine Antwort. Der Journalist stellt die nächste Frage. Nie eine Antwort. Der Journalist weiß nicht mehr, was er machen soll. Dann greift Fela Kuti mit einem Mal zum Tenorsax, das neben ihm auf der Couch liegt, spielt die ersten Takte des neuen Hits, legt das Saxophon zur Seite und fragt: "Isn't dat a fuckin' good sound of music, man?" Und verläßt den Raum.

Am 2. August ist Fela Kuti gestorben, im Alter von 58 Jahre, an Herzversagen. Todesursache: Aids. Anfang der siebziger Jahre hatte er das "Ransome" in seinem Namen gegen das Yoruba-Wort "Anikulapa" ausgetauscht. Den ersten Namen betrachtete er als koloniales Relikt, der neue bedeutete: "Der Mann, der den Tod in seiner Tasche gefangen hält."

Thomas Brückner arbeitet als Übersetzer und Herausgeber. Er hat u.a. die Werke von Kojo Laing, Syl Cheney-Coker, Chenjerai Hove und Don Mattera ins Deutsche übertragen