Hammer, Hitze, helle Häute

Sport-Reportagen bei 35 Grad im Schatten - Die Leichtathletik-WM in Athen aus deutscher Sicht

Seitdem ARD und ZDF zu Beginn der neunziger Jahre einen beträchtlichen Teil ihrer Sportreporter an die Privatsender verloren haben, weil diese sich die Übertragungsrechte an den nationalen Boom-Sportarten Fußball und Tennis gesichert hatten, werden internationale Sportgroßereignisse auch für den Fernsehzuschauer zur echten Herausforderung. Da die ...ffentlich-Rechtlichen über langfristige Verträge mit der European Broadcasting Foundation (EBF) verfügen, dürfen sie derzeit noch fast ohne private Konkurrenz die Live-Übertragungen von Olympia, Tour de France oder Fußball-WM übernehmen.

Zu solch großen Anlässen müssen die Sportredaktionen dann ihre letzten Reserven mobilisieren. Diese bestehen zumeist aus altgedienten Kämpen, die kurz vor ihrer Pensionierung nicht noch ins Showbusiness der Privatsender wechseln wollten bzw. konnten und drittklassigen Nachwuchskräften, die nun urplötzlich in die erste Reihe katapultiert wurden. Nicht anders bei der diesjährigen Leichtathletik-WM in Athen, der sechsten seit Helsinki1983.

Unvermeidlich bei solchen Anlässen ist etwa Dieter Adler, jahrzentelang ausschließlich als Leichtathletik-Experte eingesetzt, zuletzt aber auch als ARD-Chefreporter bei den Castor-Transporten im Wendland tätig. Auch das ZDF griff tief in die Mottenkiste und zauberte etwa mit Rolf Kramer, den melancholischen Ex-Moderator der "Sport-Reportage", hervor, der schon seit Jahren nicht mehr auf dem Bildschirm gesehen wurde. Solche Besetzungslisten wirken sich verheerend auf den Inhalt aus, das mit dem Stichwort altbacken hinreichend beschrieben scheint.

Grundsätzlich ist es am wichtigsten, wie die Deutschen abschneiden. Jeder noch so unbedeutende Vorlauf muß live gezeigt werden, wobei man zur Beobachtung "unserer" Athleten noch zusätzliche Spezialkameras einsetzt. Und während man noch in aller Ruhe einen am Vortag siebtplazierten deutschen Athleten interviewt, wird im Hintergrund gerade ein weltrekordverdächtiger Endlauf ohne deutsche Beteilgung gestartet, den man den Zuschauern dann fünfzehn Minuten später als Live-Übertragung andreht, umrahmt von einer Rückblende auf längst vergangene Zeiten, als "wir" (Westdeutsche) in dieser Disziplin noch den Weltmeister stellten.

Welches Weltbild solchen Regie-Entscheidungen zugrundeliegt, erfährt man bisweilen auch direkt aus dem Mund der Kommentatoren. Vor dem 400-Meter-Endlauf der Männer gesteht der ZDF-Reporter Peter Leissl: "Ein kleiner Trost immerhin, daß zwei hellhäutige Läufer hier im Finale stehen." Die Konzentration des Fernsehens auf die Leistungen der deutschen Sportler führt immerhin dazu, daß man sich ein genaueres Bild von deren Wesen machen kann. Wenig überrascht stellt man fest, daß Spitzenleistungen fast ausschließlich in Disziplinen wie Kugelstoßen oder Hammerwurf erbracht werden, in denen es weniger auf Schnelligkeit und Ausdauer als vor allem auf Kraft und Technik ankommt.

Unvermeidlich ist bei solchen Großveranstaltungen auch die nicht minder chauvinistische Brachialkritik an der angeblich mangelhaften Organisation, die sich für Deutsche im Ausland, zumal in Südeuropa, geradezu aufzudrängen scheint.

Dennoch fühlte sich ausgerechnet ein Gerd Rubenbauer bemüßigt, fortlaufend den Nationalismus der griechischen Fans zu geißeln. Geradezu grotesk muteten die zahlreichen Versuche der Kommentatoren an, den Deutschen gar noch eine ausgelassenere Lebensart als den Griechen anzudichten. "Aber welche Begeisterung haben wir vor vier Jahren in Stuttgart erlebt", tönte es immer wieder angesichts der zumeist leeren Ränge im Spiridon-Louis-Stadion.

Dabei nahmen die meisten Griechen den Trubel um "ihre" Weltmeisterschaft einfach nur erfreulich wenig ernst. Nur wenigen schien vermittelbar, warum sie während der Hauptferienzeit, bei 35 Grad im Schatten und Smog in der Stadt bleiben sollten, um sich einige Verrückte anzuschauen, die bei diesem Wetter um die Wette liefen. Selbst die einheimischen Sportler schienen von der Sinnhaftigkeit dieser Veranstaltung nicht immer überzeugt: Ein griechischer 100-Meter-Läufer erschien zu seinem Vorlauf erst, als seine Konkurrenz bereits in den Startblöcken wartete. Offenbar hatte der Mann ein Terminproblem.