Motte in Hanfhosen

Die Cannabis-Lobby macht ihre Hemp Parade: Mit Kiffern, Liedermachern und THC-freiem Mittelstand
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Gerade erst sind die letzten Pappbecher der Raver aus dem Tiergarten geräumt worden, da kündigt sich auch schon eine neue Parade für die Hauptstadt an. Am 23. August wollen die Freunde der Cannabispflanze aufs Brandenburger Tor marschieren. Hanfparade nennt sich das. Wie das nachher aussehen wird, weiß noch niemand so genau, weil die Schätzungen über mögliche Teilnehmerzahlen zwischen 1 000 und 100 000 schwanken. "Rein theoretisch müßten drei bis vier Millionen Leute kommen", erklärt Uli de Boor vom Verein Hanfnet. "Das wäre ungefähr die Zahl der Hanf-Nutzer in Deutschland."

Gemeint sind damit nicht etwa nur die Kifferinnen und Kiffer, die sich lediglich für die berauschende Wirkung des Cannabis-Stoffes THC interessieren. Die Organisatoren wollen mit der "politischen Demonstration" nicht nur für die Legalisierung des THC-Konsums auf die Straße gehen, sondern auch auf den Rohstoff Hanf aufmerksam machen und für die stetig steigende Zahl aus Hanf gefertigter Produkte werben. Zu den Unterstützern der Parade gehören neben linken Organisationen auch jede Menge kleiner und mittelständischer Firmen, die Hanf anbauen oder verarbeiten, Verkäufer von Hanfhemden, Hanfhosen, Hanfbieren, Hanfshampoos, Hanfburgern. Ein "Großereignis der bundesdeutschen Hanflobby" nennt das Vorbereitungsbündnis die Parade dann auch.

So subversiv wie die erste Love Parade im Jahr 1989, als ein paar Hundert ausgeflippte Raver hinter einem Laster mit lautem Techno-Bumm-Bumm über den Ku-Damm zogen, ist die Hanfparade von Anfang an nicht. "Wir haben eine eigene Putzkolonne, und für die Aussteller gilt ein Verbot von Einweg-Geschirr", so Uli de Boor gegenüber Jungle World. Doch als vorauseilenden Gehorsam wollen die Veranstalter das nicht verstanden wissen. "Hanf sollte eigentlich bei jedem ein ökologisches Bewußtsein auslösen, denn Hanf steht für den ökologischen Umbau", meint etwa das Berliner Büro Hanfparade. Was ein guter Joint mit Umweltschutz zu tun hat, wird allerdings nicht erklärt. Und Hopfen, Gerste, Malz sind auch Agrargüter.

Trotz der Abgrenzung zur mehr auf chemische Drogen spezialisierten Technoszene bezieht sich die Hanf-Lobby bei ihrer Parade eindeutig auf die Love Parade. Auch wenn - anders als bei dem Millionen-Techno-Spektakel - kein Grund besteht, über die breiteste Berliner Straße durch den Tiergarten zu gehen, soll die Route vom Ernst-Reuter-Platz über die Straße des 17. Juni zum Brandenburger Tor führen. Uli de Boor: "Die nationale Symbolik hat bei der Routenplanung keine Rolle gespielt. Vielmehr wollten wir an die Love Parade anknüpfen. Außerdem findet zur selben Zeit auf der anderen Seite des Brandenburger Tores eine Großveranstaltung mit dem Bundespräsidenten statt, da wird das Medieninteresse für uns bestimmt nochmal größer sein." Wie bei der Love Parade sollen Lautsprecherwagen die Demonstration mit lauter Musik beschallen. Dabei werden aber nicht nur Reggae-Kiffer-Hymnen zum besten gegeben. Auch Punkbands und ein Liedermacher haben ihr Kommen angekündigt. "Der Umzug soll möglichst multikulturell sein", so de Boor und "das gesamte Spektrum der Gesellschaft widerspiegeln."

Ob sich Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) auch dort einklinken wird wie bei der Love Parade? Eigentlich gilt die Kiffergemeinde im Gegensatz zu der der Raver nicht als besonders fortschritts- und leistungsorientiert. Aber "fröhlich und friedlich" sind in der Regel auch THC-Konsumenten. Damit der Innensenator auch nichts auszusetzen hat, wollen die Veranstalter von sich aus kein kriminelles Treiben auf ihrer Parade zulassen. "...ffentliches Dealen werden wir nicht dulden", erklärt de Boor. Soweit ist Dr. Motte in Bezug auf Ecstasy nie gegangen. Doch bei Hanfnet hat man Angst, daß ein Polizeieinsatz gegen Gesetzesbrecher dem Ziel der Parade "Verständnis in der Bevölkerung" entgegenwirken würde. Der aufstrebende Mittelstand will sich seine Reklameveranstaltung nicht versauen lassen. "Auf so etwas warten die Medienvertreter doch bloß", meint de Boor. Druck könne man innerhalb dieser Gesellschaft nur im Rahmen der Gesetze ausüben. So ersetzt die realpolitische Forderung "Legalisierung jetzt!" die subversive Parole vergangener Zeiten, die auch praktische Verhaltensdirektive war: Legal, illegal, scheißegal!