Soli-Party bei Solms

Die Ost-Abgabe soll abgebaut werden - aber nicht ohne Gegenfinanzierung

"Hassi", "Lauti", "Transpi" - was der linke Subkulturschaffende liebt und was er - wie "Razzi" und "Zivi" - haßt, wird verniedlicht. Auch ideologische Begriffe wie der alte, der Arbeiterbewegung entstammende Kampfbegriff der Solidarität blieben davon nicht verschont: Die "Soli-Party" steht seitdem für die - häufig mißglückten - Versuche, einen bunten Abend mit politischen Inhalten zu verbinden und dabei einen möglichst großen Batzen Geld zu erwirtschaften, der anschließend einem guten Zweck zugeführt werden kann. "Soli-Party", so meinte man, klingt lockerer als der Begriff "Solidaritätsveranstaltung", der erst gar keine Feierlaune aufkommen lassen will.

Als es 1990 darum ging, globale Mehrbelastungen, die durch den Anschluß Ostdeutschlands entstanden, auf die Steuerzahler zu verlegen, stieß man auch in der PR-Abteilung des Bonner Kanzleramtes auf den Begriff der Solidarität. Und weil die Deutschen sich die einheitsbesoffene Partystimmung nicht verderben lassen wollten, verfielen sie sehr schnell darauf, was sie eigentlich haßten - eine kaum verdeckte saftige Steuererhöhung nämlich - mit dem Autonomen-Begriff zu belegen. Der "Soli" hatte den Weg durch die Institutionen gemacht; mittlerweile prägt er die Sommerloch-Debatten der bürgerlichen Presse.

In den nächsten Wochen könnte sich herausstellen, daß die Soli-Party den Weg mitgemacht hat. Soli-Parties könnten nämlich bei der besserverdienenden Klientel der FDP steigen, wenn die sich mit ihrem Ziel durchsetzt, den Zuschlag 1998 von 7,5 auf 5,5 Prozent zu senken. Die Hamburger Morgenpost rechnete vor, was die Steuerzahlenden dabei sparen könnten: Eine ledige Verkäuferin mit einem jährlichen Bruttolohn von 30 000 Mark dürfte sich über 58 Mark freuen, eine Chefärztin allerdings hätte fortan 16 000 Mark mehr im Portemonnaie. Die Freidemokraten, die sich trotz aller Haushaltslöcher als Steuersenkungspartei profilieren möchten, haben den Fortbestand der Regierungskoalition an die Senkung des Solidarzuschlags geknüpft.

Während die Koalition bei den Plänen zur "Großen Steuerreform" immer von einer Netto-Entlastung getönt hatte, finden sich bei der Senkung der ursprünglich für den "Aufbau Ost" gedachten Sonderabgabe kaum noch Stimmen, die auf eine "solide Gegenfinanzierung" verzichten mögen. Die Ost-Lobby in der CDU warnte sofort davor, nach dem Ende der Steuerreform die malade Ost-Wirtschaft einzudampfen. Auch Unionspolitiker aus dem Westen wie der Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Wolfgang Schäuble, haben stets die beruhigende Parole ausgegeben, die Ostförderung werde "in der Qualität" aufrechterhalten. Bis zur Bundestagswahl werden die Konservativen alles unterlassen, was weitere frustrierte Ostdeutsche zur PDS treiben könnte.

Schon aus Rücksichtnahme auf Helmut Kohls mittlerweile stark reduzierte Anhängerschaft im Osten werden die Bonner also an anderer Stelle jene 7,5 Milliarden Mark wieder holen müssen, die durch die Senkung des Solidarzuschlags verloren gehen werden. Es wird bei "Placebos" bleiben, wie ein Kommentator der Frankfurter Rundschau sich ausdrückte, bei Finanztricks, die Entlastungen bestenfalls vorgaukeln, um die Gemüter zu beruhigen.

Die in die Bredouille geratene Regierung ist in diesen Tagen hektisch auf der Suche nach neuen Geldquellen, die noch anzuzapfen wären. Doch an die berühmten "Steuerschlupflöcher" - also an jene Abschreibungsmöglichkeiten, die es Millionären nach wie vor gestatten, ihr steuerpflichtiges Einkommen auf Sozialhilfe-Niveau zu drücken - wagt sie sich nicht; angeblich, weil man dabei auf die vermeintlich reform-unwillige SPD angewiesen wäre. Die Subventionen für den Steinkohle-Bergbau könnten abgebaut werden, heißt es aus der FDP. Doch dagegen sperrt sich die CDU. Die Opposition will den Energiekonzernen an den Kragen, die als Betreiber von Atomkraftwerken immense unversteuerte Rücklagen bilden, doch die Opposition ist nur Opposition. Man könne die Mineralölsteuer anheben, wurde von anderer Seite vorgeschlagen. Eine Erhöhung des Benzinpreises um zehn Pfennige würde dem Fiskus sieben Milliarden Mark bescheren. Doch sofort kündigte der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber namens der Autofahrerpartei CSU "ganz erhebliche Widerstände" an.

Bleibt die Mehrwertsteuer: Das Handelsblatt glaubt zu wissen, daß die Pläne für die Erhöhung der Verbrauchssteuer längst in den Schubladen der Koalition liegen und noch im nächsten Jahr umgesetzt werden sollen. Kanzler Kohl hatte bislang eine Mehrwertsteuer-Erhöhung in der laufenden Legislaturperiode ausgeschlossen, doch es scheint nicht unwahrscheinlich, daß die einkommensabhängige Abgabe in Zukunft von der Besteuerung des täglichen Verbrauchs abgelöst wird.

Was dies allerdings für die Zukunft der Bonner Koalition bedeuten würde, kann nur gemutmaßt werden. Ein gutes Jahr vor der Bundestagswahl ist das Bündnis in den Konflikt zwischen populistischem Wollen und ökonomischem Muß geraten, zwischen die Begründungsstrategie der Union, die sich weiter als "Partei des Kanzlers der Einheit" gerieren will und diejenige der Liberalen, die ihr politisches Schicksal mit der Steuersenkung verknüpft haben.