Zusammenlegung sofort

Der Masterplan für die Hauptstadt liegt vor: Kreuzberg soll weg

Schon wieder der Schönbohm! Man mag ja schon gar nicht mehr über ihn schreiben, aber was soll man machen - war er es doch, der in der vergangenen Woche den Gesetzesentwurf zur Berliner Gebietsreform dem Senat vorlegte. "Mit der Umsetzung der Beschlüsse wird das Land Berlin den Herausforderungen der kommenden Jahre besser gewachsen sein", heißt es dazu im Kommuniqué des Großen Vorsitzenden der Berliner Innenverwaltung mit einem optimistischen Hurra.

Über die Reform wird schon länger diskutiert. Zwar nicht seit 1920, dem Jahr, in dem die Bezirksstruktur "Großberlins" festgelegt wurde, aber fast. Aus den 23 Bezirken des Landes sollen nun zwölf werden, Verwaltungskosten können eingespart werden, meinen die Befürworter, die Gegner fürchten den Verlust von Bürgernähe. Bürgernähe?

Vorsorglich wurden Anfang Juli verschiedene Filialen des Landesarbeitsamts zusammengelegt, damit man sich schon jetzt ein Bild davon machen kann, wie gut die geplanten "Bürger-Zentren", die die Aufgaben der Bezirksverwaltungen übernehmen sollen, in Zukunft funktionieren werden. Zugleich wird eine Verwaltungsreform durchgeführt werden, um die Strukturen weiter zu verschlanken. Die Rechnung aus 23 mach zwölf Haushaltslöcher geht selbstverständlich nicht auf, und so kann auch die Gebietsreform die Lücken im 44-Milliarden-Haushalt nichts schließen. Vielleicht könnte man aber den einen oder anderen Bezirk verkaufen. Wer braucht schon Reinickendorf?

Kreuzberg geht verloren, stöhnen die Patrioten und fürchten sich vor dem Monsterbezirk in der Mitte, der dann "Mitte" heißen soll. Die Weddinger wollen nicht zum Prenzlauer Berg gehören, weil der zu arm ist. Heide Nisblé von der Weddinger SPD würde viel lieber mit Pankow oder Tiergarten zusammenziehen. Wer aber fragt die Schöneberger Cafésitzer, ob sie etwas mit den Tempelhofer Spießern zu tun haben wollen? Die Berliner Identitätshuber haben endlich wieder etwas, an dem sie sich festhalten können. Zumindest bleibt Neukölln Neukölln. Die Bezirksreform darf das Abgeordnetenhaus passieren.

Weil die Anzahl der Bezirke in der Landesverfassung festgeschrieben ist, muß der Passus "zwölf Bezirke" neu in die Verfassung aufgenommen werden. Das macht das Verfahren nicht einfacher. Ohnehin sind viele der kommunalen Parteienvertreter gegen die Reform - hier geht es schließlich auch um Posten, die es danach vielleicht nicht mehr geben wird. Kann Berlin noch mehr Arbeitslose verkraften? Müssen die Bezirksverordneten zum Aufräumen in den Oderbruch? Der wird bis 1999 - dem Jahr, für das alle Veränderungen in Berlin angesetzt sind - wohl auch von allein getrocknet sein, dann erst soll nämlich die Modifizierung der innerstädtischen Grenzverläufe in Kraft treten.

Während beim ersten Reformentwurf der einzige Ost-West-Grenzübertritt noch die Oberbaumbrücke zwischen Kreuzberg und Friedrichshain war, sind auf dem jetzt vorliegenden Stadtplan die Grenzverläufe zwischen den Stadthälften kaum noch auszumachen. Tiergarten, Mitte und Kreuzberg machen sich in der Mitte breit, außerdem überschreiten Wedding und Prenzlauer Berg die alte Grenze. Die weiteren Zusammenlegungen: Zehlendorf und Steglitz, Charlottenburg und Wilmersdorf, Schöneberg und Tempelhof, Friedrichshain und Lichtenberg, Treptow und Köpenick, Marzahn und Hellersdorf, Pankow, Weißensee und Hohenschönhausen. Allein bleiben nur Spandau, Reinickendorf und Neukölln.

Zusammenwachsen werden auch die Wahlkreise der Bundestagsabgeordneten. Für die Wahl 1998 zwar zu spät, aber danach steigen zumindest die Chancen der SPD-Kandidaten gegen die PDS. Gerrymandering nennt man das in Nordirland. Im Büro des SPD-Landesverbandes kennt man den Begriff zwar nicht, dort kann man sich aber trotzdem bessere Möglichkeiten für den nächsten Wahlkampf ausrechnen.