Die Zeitschrift für DAUs

Nicht Sternchen heißt das Kind vom stern, sondern Konrad. Keiner hat ihn gern

Es gibt viele gute Gründe, ein neues nochniedagewesenes Produkt auf den ziemlich überfüllten Print-Markt zu werfen, die errechneten guten Absatzchancen etwa, die bislang noch nicht besetzte Marktlücke oder das Gefühl, gebraucht zu werden.

Konrad ist so ein neues Produkt. Und hat auch einen Grund: Den dringenden Wunsch des Verlages nämlich, viele Anzeigen zu bekommen und das nach Möglichkeit aus Branchen, denen es relativ gut geht. Und deswegen gibt es jetzt Konrad, dessen Untertitel "Der Mensch in der digitalen Welt" genügend nichtssagend ist, daß sich Sparkasse, Nixdorf und Toshiba gleichermaßen angesprochen fühlen, viele bunte Werbung schalten und dem Projekt zu ungeheurem Erfolg verhelfen.

So weit ist mit Konrad auch alles in Ordnung, das Problem ist jedoch, wie so oft bei Zeitungen, das Drumherum. Denn Konrads Adressaten sind so ungefähr das ekligste, was vor Rechnern herumsitzt: Leute, die Bedienungsanleitungen haben wollen.

Als mit dem C-64 einer der ersten Computer für Zuhause herauskam, da konnte man mit dem Ding streng genommen nicht allzuviel anfangen. Seine Festplatte war exakt 64 k groß und verbarg sich in der klobigen Tastatur. Auf unförmig-schlabberigen Disketten, sogenannten Floppies, konnte man allerdings Spiele in ihn hineintun. Niemals hat jedoch irgendjemand diese Games im Laden gekauft, statt dessen wurden sie kopiert, weitergegeben, getauscht, und das alles selbstverständlich ohne Bedienungsanleitung. Deswegen hatte man auch sehr lange Spaß mit ihnen, denn bevor es richtig losgehen konnte, mußte man erst mühsam herausfinden, wie man das schwer gepixelte Männchen überhaupt bewegen konnte, wie man Granaten abfeuerte, Ski fuhr, kommunizierte, oder welchen Sinn das Spiel denn überhaupt hatte.

Irgendwann wurde man dann groß, der C-64 vom Mac abgelöst, man bekam seine Spiele aber weiter von Freunden, Spiele, in denen die Männchen nicht mehr gepixelt und die Regeln weitaus komplizierter waren, die Bedienungsanleitungen aber immer noch fehlten, und als das alles langweilig geworden war, da ging's dann ab ins Internet.

Das war zunächst ein bißchen schwierig, weil man ja nun überhaupt keinen Plan hatte, aber in den meisten newsgroups gab es freundliche Menschen, die sich um die DAUs (dümmste anzunehmende User) kümmerten oder zumindestens eine Liste mit FAQs, (frequently asked questions , häufig gestellte Fragen) bereitstellten, die den Neuling eine Weile beschäftigte und den Internet-Veteranen fürs erste ihre Ruhe garantierte - und dann dauerte es auch nicht mehr lange, bis man selbst verwirrten Hinzugekommenen beispielsweise die Sache mit den :-) und :-( und :-o erklären konnte. Die massenhafte Einführung der Web-Pages nahm man dann ebenso begeistert wie gleichmütig hin, und so könnte man denn auch weiterhin zufrieden sein, wenn es nicht immer wieder schreckliche Ärgernisse gäbe.

Wie Konrad. Konrad heißen und hießen bislang nämlich nur Leute, mit denen man nichts zu tun haben möchte, und selbst wenn sein Herausgeber, Dr.-Werner-"Allein-schon-wie-er-auf-dem-Foto-so-locker-mit-beiden-Händen-in-den-Hosentaschen-dasteht-macht-mich-aggressiv"-Funk uns im "Read me" betitelten Editorial erklärt, Konrad sei nach Konrad Zuse benannt, der im Jahr 1938 den ersten programmierbaren digitalen Computer erfunden habe, auch diesem Konrad ist mit großer Sicherheit nicht zu trauen. Das "Grosse Illustrierte Lexikon" des Orbis-Verlages weiß zu Zuse zwar auch nicht viel, erklärt aber immerhin, daß er "1941 die erste programmgesteuerte Rechenanlage der Welt" schuf - der offenkundige Fehler liegt jedoch nicht in den unterschiedlichen Jahreszahlen, sondern im In-Deutschland-Bleiben. Ein Konrad halt.

Dieser hier hat auf seinen Seiten acht und neun sogar eine richtig gute Idee: zwölf Entsorgungsvorschläge für Tamagotchis. Die jedoch durch die Überschrift gleich wieder völlig versaut werden: "Heiterkyte" heißt es dort und "Hier wird Humorarbeit geleistet". Die folgende Kolumne trägt dann den folgerichtigen Titel "E-Mail" - und ist in Konrad-Maßstäben gemessen sogar richtig gut. Claus Leggewie erklärt den Prozeß um Angela Marquardts Links zu radikal zur deutschen Moralapostelei und hat recht - leider in Konrad. Denn Konrad, "so sieht es aus, wenn man die Fakten sprechen läßt", (E. Honecker) hat natürlich grundsätzlich überhaupt niemals recht. Weder in seiner Annahme, daß intelligente Menschen tatsächlich einen Guide mit den besten Einkaufsadressen im Internet brauchen noch mit der, daß es irgendjemanden interessiert, wie das Pentagon sich vor Hackern schützt - daß der Hamburger Chaos Computer Club sich in trendy Klamotten für den ersten Konrad fotografieren ließ, ist weniger ein ästhetisches Problem als Beleg dafür, daß es sich beim immer noch als völlig subversiv gehandelten CCC mittlerweile um eine richtig ernstzunehmende und ernstgenommene Firma handelt.

Ansonsten stehen in Konrad halt Sachen. Über Online-Spiele beispielsweise oder über das vernetzte bayerische Dorf Deggendorf (von Extra 3 schon vor Monaten als für die Einwohner nutzloser PR-Gag enttarnt) oder über den notorischen Roland Emmerich, der - Sensation! - in seinen Filmen nicht nur Rechner, sondern auch deutsche Spezialisten benutzt, eine silbern angemalte Naomi Campbell und viele Ratschläge. Zum Beispiel darüber, wie man mit Suchmaschinen umgeht oder eleganter recherchiert - jeder mit auch nur rudimentärem Sportsgeist Ausgestattete findet solche Antworten jedoch von ganz allein.

Und als ob das alles noch nicht genügen würde, hat Konrad es dann auch noch getan. Gut, okay, Konrad ist ein Kind vom stern, der Spezialzeitschrift für Themenumfünfjahrehinterhecheln, aber mußte das wirklich sein? Einen Artikel mit "Das Internet - unendliche Weiten" anfangen, nachdem mittlerweile in wirklich jedem Printmedium Deutschlands Internetreportagen so anfangen?