Grundbesitz und BMW für alle!

Warum die Forderung nach Grundsicherung von Westerwelle, Biedenkopf und Fischer erfunden wurde.

Wer sollte etwas dagegen haben, jeden Monat schlappe 1 500 Mark auf die Hand zu bekommen? Nobody. Noch ein bißchen Schwarzarbeit und den einen oder anderen Deal, und die Grundsicherung ist wirklich gebongt. Mit Politik, Subversion, Ökonomiekritik und ähnlichem haben diese idyllischen Vorstellungen aber gar nichts zu tun. Es geht darum, sich in den Nischen des Systems ein bißchen einzurichten. Das ist legitim - genauso legitim wie die Erbschaft von Mami und Papi zu verprassen oder im Supermarkt zu klauen. Aber die Erbschleicher und die Ladendiebe machen wenigstens kein revolutionäres Brimborium, wo es doch nur um Struggle for Life geht.

Die Begrenztheit des Grundsicherungsmodells wird schon daran deutlich, daß es von Scarface Westerwelle und der Fischer-Gang erfunden wurde. Der Ansatz der FDP ist ganz simpel: Der Sozialstaat ist zu teuer und muß verschlankt werden. Die Alternative ist das sogenannte Bürgergeld. Das Ganze ist so etwas wie eine negative Steuer: Wenn ein Bürger unter ein bestimmtes Einkommen fällt, muß er keine Steuer mehr bezahlen, sondern bekommt selbst vom Finanzamt Cash. Die Grünen und die PDS haben im wesentlichen dasselbe Modell wie das oben vorgestellte und befürworten ebenfalls einen Betrag von etwa 1 500 Mark. Da die bisherige Art der Finanzierung des sogenannten Sozialstaates tatsächlich anachronistisch ist - das hat nicht nur Rifkin vorgerechnet, sondern auch Biedenkopf - hat die Grundsicherung echte Chancen. In der Realität wird dann irgendein Kompromiß herauskommen: Grundsicherung ja, aber sie darf nicht über dem bisherigen Sozialhilfesatz liegen - so unverblümt sagt es heute schon der Haushaltsexperte der grünen Bundestagsfraktion, Oswald Metzger. Am wichtigsten für das Kapital wird sein, daß der ganze mit dem Sozialklimbim beschäftigte Teil des Staatsapparats bei der Grundsicherung nicht mehr benötigt wird. Im besten Fall wird die schöne Reform also für eine gesellschaftliche Gruppe etwas mehr Knete bringen - und gleichzeitig eine mindestens ebenso große Gruppe von Staatsangestellten arbeitslos machen. Schöne Aussichten. Wäre es da nicht besser, man überläßt als Linker die Sache den bürgerlichen Parteien - greift also ab, was es abzugreifen gibt, und schimpft ansonsten weiter auf den Kapitalismus? Das wäre subversiv.

Diese Subversivität ist allerdings nicht unbedingt die Sache des Genossen Kaminski. Im wesentlichen hat er nämlich seinen Frieden mit dem schlechten Bestehenden gemacht: Eine arbeitsteilige Gesellschaft, schreibt er am Schluß, kann er sich nur "in Tauschkategorien" vorstellen, weswegen statt direkter Aneignung von Lebens- und Genußmitteln in unseren Breitengraden nur eine Geld-Forderung möglich sei. Da hat der Pragmatismus wieder das Gehirn verblödet: Seit wann hat Arbeitsteilung etwas mit Tauschwert zu tun? Hat nicht die Linke, gerade die radikale und libertäre, immer davon geträumt, die arbeitsteilige Produktion nicht über marktförmige Tauschbeziehungen, sondern über gesellschaftliche Planung zu vernetzen? Und Kaminskys Forderung nach dem "Recht auf ein eigenes Stück Land" wird nicht dadurch besser, daß er sie bei den Zapatisten abgeschrieben hat - das ist die Laubenpieper-Utopie von Kleineigentümern.

Eine begründete Spekulation: Die neue Beliebtheit einer Grundsicherungs-Kampagne bei den Autonomen kommt von dem Katzenjammer, den sie von ihren großartigen Sozialkampfbündnissen zurückbehalten haben. In Berlin demonstrierten im Frühjahr 1996 bis zu 30 000 Leuten gegen die Sparschweinereien des Senats, und zwar unabhängig vom DGB - doch als Diepgen hart blieb und die Beschlüsse gefaßt waren, lief das Bündnis sang- und klanglos auseinander. Anstatt nun aber aus dem Desaster dieser Geschäftigkeit Konsequenzen zu ziehen, versucht man es mit noch mehr Populismus: Eine eingängige Forderung muß her, dann werden die Leute schon wiederkommen. Dabei bleibt die notwendige theoretische Anstrengung auf der Strecke. Es stimmt nämlich nicht, daß die ökonomischen Umbrüche der letzten Jahre genügend analysiert seien. Um nur die drängendste der offene Fragen zu nennen: Kann die in der Geschichte einmalige Einführung einer supra-nationalen Währung klappen? Ist die verbreitete Ablehnung des Euro ein progressiver, sozusagen anti-neoliberaler Reflex - oder eine nationalistische Regression?

Kaminski geht von einer verballhornten Version der Feuerbach-These aus: Die Linke könnten die Welt zwar prima erklären, es komme aber darauf an, sie zu verändern. Das hat Marx tatsächlich so ähnlich geschrieben, allerdings in einem anderen gesellschaftlichen Kontext. Lenin hat dazu treffend angemerkt: "Diese Worte in einer Zeit der theoretischen Zerfahrenheit wiederholen ist dasselbe, als wolle man beim Anblick eines Leichenbegräbnisses den Hochzeitsspruch ausbringen: 'Mögen auch immer so glückliche Tage beschieden sein!'"

Der Autor lebt in Berlin und bewegt sich in libertinären virtuellen Zusammenhängen.