Traumberuf: Job

Lange Zeit, noch bis voriges Jahr, war mein Traumberuf Fährmann. In dieser Profession suchte ich alles, was ich über die Welt dachte bzw. wußte, erhoffte bzw. nicht mehr erhoffte, in Anschlag zu bringen und miteinander zu versöhnen. Fährmannsein ist eine relativ klare, überschaubare und unzweifelhaft nützliche Tätigkeit mit zudem sagenhaften, mythischen, schicksalsträchtigen Referenzen. Man ist immer unterwegs und kommt immer an, und man ist quasi unersetzlich und bewahrt dennoch den Gleichmut weitgereister Greise. Menschen sind da, aber sie bleiben nicht. Alles fließt, doch man selber hält allem stand. Panta Rayk hieße mein kleines idyllisches Fährschifflein.

Im vorigen Jahr nun bin ich an der Elbe einem meiner Vorbilder begegnet und meinen Traumberuf los. Zu genaues Wissen schadet in der Regel dem Engagement. Und seither habe ich ein neues formidables Lebensziel: nämlich Lokalredakteur bei einer nordöstlichen Provinzzeitung werden, die so ähnlich wie Nordkorea heißt. Was der genau tut, weiß ich selbstredend nicht und kann's mir nur ahnend erschließen. Die Zeitung, die ich im Auge habe, besteht aus 70 Prozent Agenturmeldungen und mehrspaltigen Bildern. Wenn auf denen Mähdrescher bei der Getreidemahd zu sehen sind, steht drunter: "Mähdrescher bei der Getreidemahd." (Bei der jungen Welt, die ich übrigens nicht meine, würde drunter stehen: "Mähen von Getreide, da wackelt die Heide".) Zehn Prozent liefern Lokal-Events wie der Sommerschlußverkauf, die Eröffnung eines Friseurladens oder die Beringung von Jungvögeln. Der Rest sind Festivitäten und Anzeigen, genauer: Schützenfeste und Todesanzeigen.

Ich würde natürlich nicht ernsthaft den Lokalfritzen machen, sondern ihn bloß parodieren. Alle Klischees bedienen, alle Phrasen benutzen, stereotyp alle Stereotypen verwenden und alles durch die Bank affirmieren, daß sich der Pfeffer gewaschen hat. Und das Schöne daran wäre: Niemand würde sie bemerken, meine kleine private Parodiepartie, und ich verarschte die Welt, ohne daß sie's schnallt.

Der einzige Haken an der Sache ist: Das machen sowieso alle. Jeder Landrat, jeder Lehrer, jeder Lampenhändler in sei'm Job tut wie wenn als ob. (Das hätte die junge Welt vielleicht doch nicht hingereimt gekriegt). Ziemlich haariger Haken, zumal damit ja alles steht und nicht fällt. Denn solange jeder Imbißbudenfürst den Sonnenkönig macht und jede Vorzimmerschnalle die Pompadour, solange wird es nichts werden mit dem großen Gesellschaftsrelaunch.

Dann lieber doch gleich was Richtiges tun: Dschungelarzt oder Weltumsegler, zum Beispiel.