Du bist mein Sexgott

Erotik und Sport haben im Fall deutscher Sportler nichts miteinander zu tun

Während jedem mindestens theoretisch klar ist, daß Sport, weil Körper, viel mit Erotik zu tun hat, gelten in Deutschland andere Gesetze. Zwar wird dort jede halbwegs besser als Lady Di aussehende Sportlerin gerne und ausgiebig fotografiert, aber zu internationaler Anerkennung reicht es in der Regel nur bei Susen Tiedtke, die in schöner Regelmäßigkeit überall zur Miß Sportfest gewählt wird.

Bei den sporttreibenden Männern hingegen erschöpft sich Erotik oft im Muskelnhaben. Oder im Berühmtsein. Als Frank Busemann in Atlanta in der deutschen Lieblingssportart Zehnkampf die Silbermedaille holte, gab es keinerlei Spekulationen, ob Frank noch Junggeselle ist oder eine Freundin hat. Busemann muß nämlich keine erotische Ausstrahlung haben, denn er ist ein deutscher Mann oder vielmehr ein netter deutscher Junge, einer mit einem getunten, aber nicht gerade sexy Körper - und dafür sind deutsche Männer schließlich bekannt. Wie Henry "Gentleman" Maske, den zum Vater zu haben man sich gut vorstellen könnte - kein Lehrer würde sich trauen, zu sagen: "Bestell deinen Erziehungsberechtigten, ich will sie morgen hier sehen", und dann auch wirklich bei Henry zu petzen -, als erotischer Liebhaber oder Sexobjekt wäre Maske jedoch, egal was Frau Schreinemakers denkt, wohl eher völlig falsch beschrieben.

Bei einer anderen deutschen Legende, Michael Schumacher, der nur in seinem Heimatland für attraktiv gehalten wird, heißt Vorspiel wahrscheinlich, das Autoradio anzumachen, einzig Boris Becker hat auf internationalem Parkett ein wenig Ausstrahlung. Für Mercedes Benz ist er sogar sexy genug, um in einem internationalen Werbespot gegen Mikka Hakkinen, die blonde Bombe aus Finnland, autozufahren. Sexier als eine Finne zu sein ist nun nicht gerade einfach, aber Boris tat sein Bestes: "Nächstes Mal spielen wir Tennis", witzelte er, nachdem er das Rennen drehbuchgemäß knapp verloren hatte, und sah gar nicht schlecht dabei aus. Sexy Männer in schnellen Autos zu zeigen ist schließlich eine erfolgreiche Werbestrategie, um teure Autos Männer zu verkaufen, die sexy Männer sein wollen. So ähnlich verhält sich das auch mit allen anderen Produkten. Und weil Boris Becker für die deutschen Agenturen so einfach zu vermarkten ist, wird er natürlich schon beim Frühstück beobachtet, putzmunter und randvoll mit Weisheiten - so muß es sein. Sexy Sportler und Nutella haben offensichtlich viel miteinander zu tun.

Im Gegensatz zu den eher ausstrahlungsarmen deutschen Männern sehen australische Männer alle wie Statisten aus "Baywatch" aus, unabhängig von der praktizierten Sportart. Bei den Australian Tennis Open diesen Jahres sorgten die Körper von Mark Philipoussis und Patrick Rafter immer wieder für Erregung unter den pubertierenden Teenies. T-Shirts mit Logos wie "Du bist mein Sexgott" waren unter den verzückten Einheimischen an der Tagesordnung, das gezeigte Tennis wie die sportlichen Leistungen waren irgendwie zweitrangig - Hauptsache, Philipoussis wechselt sein Hemd fünf oder sechs Mal pro Spiel.

Dererlei Mumpitz wäre nicht nur bei den Stuttgarter Mercedes Open undenkbar. Und im vereinigten Königreich, wo die "No sex, we're British"-Politik von Königin Victoria in gewissen Kreisen immer noch zelebriert wird, gilt zur Schau gestellte Körperlichkeit sogar als richtiggehend vulgär. Die stoische BBC gab so beim diesjährigen Wimbledon-Turnier ihren Fernsehteams Anweisung, die weiblichen Spieler nur oberhalb der Taille zu filmen. Aus ungeklärten Gründen gelang es dem Sender dann jedoch nicht, diese Anordnung in die Praxis umzusetzen, und so geriet er, zusammen mit der englischen Boulevardpresse, die Frauenhintern und -vorderseiten abbildet, wann immer sich eine Gelegenheit dazu bietet, in die Kritik. "Die Art, wie die Medien Frauentennis als Soft-Porno behandeln, ist widerlich", schimpfte Tony Banks, der britische Sportminister, über die sexistische Berichterstattung. "Über Henmanns oder Rusedskis Kurven habe ich noch nichts gelesen, aber der Körper von Monika Seles wird untersucht, als ob er in einem Operationssaal liegt." Der Minister hat leider vergessen, daß die Kurven von Henmann und Rusedski keine Hormone in Gang setzen würden, denn zur Zeit wird die Blondine Anna Kournikova aus Rußland unter allen Tennisschlägern am meisten fotografiert. Alles begann vor einem Jahr, als Kournikova bei ihrer ersten Grand Slam Pressekonferenz in einem sogenannten Boob Tube, einer Art Bikinioberteil, und extra kurzen Hosen auftrat. Da sie eine schöne Russin ist, wurde sie in den Vereinigten Staaten sofort "Lolita" getauft, anderswo nennt man sie einfach "die schöne Russin".

Aber zurück nach England, der Heimat aller Sportarten, wo die BoulevardPresse versucht, mit Hilfe kitzelnder Bildern und skandalöser Stories ihre Marktanteile zu vergrößern und wo

The Sunday Sport zu Hause ist. Diese wöchentlich erscheinende Zeitschrift wird von David Sullivan herausgegeben, einem Mann, der sein Vermögen von umgerechnet 500 Millionen Mark im Porno-Geschäft gemacht hat. Dank ausführlicher Sportberichterstattung, weiblicher Brustwarzen, die auf fast jeder Seite zu beäugen sind, und mit Aufmacher-Stories wie "Bomberflugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg auf dem Mond gefunden" oder "Esel überfällt Bank", kann The Sunday Sport stolz auf eine Leserschaft von 280 000 verweisen. "The Sunday Sport ist wie die alten frechen Seebad-Postkarten mit einer modernen Werbestrategie", erklärte Sullivan, "es ist einzigartig englisch". Was immerhin den Vorteil hat, daß es nie, niemals, unter keinen Umständen Michael Schumacher nackt zeigen würde.