Arabisches Reiterfleisch

Der erste deutsche Fernsehkoch und die Folgen - Anbrennen im TV, von Wilmenrod bis zum Vox-Koch

Neben Fernseh-Skat und Andrea Nahles-Interviews gehört das abgefilmte Nahrungsmittel-Zubereiten zu den Gipfelpunkten televisionärer Ödnis. Nicht nur, weil solche Sendungen niemals dann laufen, wenn man noch eine reelle Chance hätte, einen Laden zu finden, der all die ganzen verlangten Zutaten führt, oder wenigstens zu einem Zeitpunkt, wo man gerade Appetit auf Schweinekoteletts in Aprikosensauce hat, sondern auch, weil es schon im richtigen Leben unglaublich öde ist, jemandem beim Kochen zuzusehen. Zumal man sich dabei sehr leicht so fühlt wie damals, als man von Mama lernen wollte, wie Wirsingpudding oder Rinderbraten geht, was immer, immer so endete: "Und jetzt Butter/Mehl/Salz." "Wieviel?" - "Na, soviel ungefähr." - "Also eine halbe Handvoll?" - "Nein, so genau kann man das nicht sagen. Das muß man im Gefühl haben."

Die Fernsehköche bemühen sich deswegen um besondere Gründlichkeit, weswegen es sehr mühsam ist, ihre Rezepte (eine Prise Salz, vier Wacholderbeeren, drei Viertel geriebene Muskatnuß) mitzuschreiben oder gar nachzukochen.

Der erste deutsche Fernsehkoch war Clemens Wilmenrod. Ab dem 20. Februar 1953, zwei Monate nach dem Start des westdeutschen Fernsehens, präsentierte der ehemalige Schauspieler Rezepte mit Namen wie "Venezianischer Weihnachtsschmaus" oder "Arabisches Reiterfleisch", von denen richtige Köche immer wieder behaupteten, sie seien nicht nur geklaut, sondern auch noch ziemlich ungenießbar. Aber die deutschen Hausfrauen waren trotzdem begeistert. Und so konnte er die Schleichwerbung einführen, was ihm sehr leicht fiel, denn immerhin war er einer der ersten TV-Stars. "Als Wilmenrod Kabeljau auf eine besonders schmackhafte Art anbot, war Kabeljau am nächsten Tag in Düsseldorf ausverkauft", wußte schon 1954 das Düsseldorfer Handelsblatt zu berichten, und aufgrund solcher Erfahrungen dauerte es auch nicht mehr lang, bis Krisen-Branchen wie die Milchwirtschaft ihn dafür bezahlten, Rezepte mit möglichst großen Mengen ihrer Zutaten zu präsentieren.

1964 war dann jedoch Schluß mit der TV-Kocherei, nach 185 Auftritten, in denen Wilmenrod, der sich 1967 nach einer schweren Krankheit erschossen hat, nicht bloß Essen zubereitete, sondern die Nation währenddessen auch noch unterhielt, was dann so klang: "Im Libanon gibt es mehr Spitzbuben als auf der gesamten Nordhalbkugel zusammen."

Damit kreierte er einen Stil, dem noch heute die Fernsehköche anhängen. Sie glauben in der Mehrzahl, daß die Zuschauer nicht in der Lage sind, zwei Minuten Stille zu ertragen, weswegen sie unentwegt reden müssen. Und deswegen laden sie sich, wie Alfred Biolek, oft Gäste ein, die gleichzeitig Rezepte präsentieren und Stichworte geben müssen. Alfred Bioleks Kalkül ging auf: Menschen, die gerade darauf achten müssen, daß ihr Soufflé nicht zusammenfällt, reagieren in den seltensten Fällen aggressiv auf vom Gastgeber abgesonderte Beyond-Blöd-Öd-Floskeln. "Mmmh, Knoblauch", äußert der Gast beispielsweise, gerade in einen aussichtslosen Kampf mit der Knoblauchpresse verwickelt, und Alfred Biolek würde darauf etwa folgendes antworten: "Ja, Knoblauch, der ist natürlich ein rechter Stinker. Den man sich nur im, haha, allerengsten Freundeskreis zu servieren traut, obwohl er ja unerhört gesund sein soll."

Was soll man darauf antworten? Nichts, und das gibt dem Biolek die Chance zum erweiterten Monolog, der im Knoblauchfall sehr viel mit der herrlichen südländischen Küche zu tun hat, dann zum beneidenswerten südländischen Lebensstil abschweift und beim südländischen Politikverständnis landen würde - aber meistens hat man an dem Punkt dann Glück, und dem Bio brennt irgend etwas an.

Anderswo ist man mit dem Kochen allerdings schon viel weiter: In England beispielsweise bereitet der kultige Fernsehkoch Floyd Nahrungsmittel zu, und das geht ungefähr so: Floyd fährt beispielsweise nach Australien. Dort läßt er sich entweder traditionelle Gerichte zeigen oder wandelt die dort gebräuchlichen Lebensmittel und Zutaten zu eigenen Kreationen um.

Das tut er aber niemals in igendeiner gewöhnlichen Küche, sondern zum Beispiel in einem Viehwaggon, draußen in der Einöde oder sonst irgendwo, läßt sich von Straußen die gerade frisch zubereiteten Schnitzel wegessen oder sich von Kamelen anknabbern. Dabei wird sehr viel getrunken und erzählt. Trotzdem muß man stark hoffen, daß "Floyd in Europa", "Floyd in Amerika" und all die ganzen anderen Folgen niemals in Deutschland laufen, denn schließlich gibt es hier unzählige Redakteure, die das tun würden, was Redakteure immer tun, wenn sie den Witz einer ausländischen Serie betonen wollen: Sie lassen Floyd durch Didi Hallervorden synchronisieren.

Der NDR, eigentlich auch ein Sender, dem man zutraut, daß er Redakteure beschäftigt, die Floyd durch Hallervorden synchronisieren lassen würden, hat immerhin vor einigen Jahren den Versuch gemacht, das verpupte Koch-Show-Genre aufzupeppen. Seine bezeichnenderweise mittlerweile wieder eingestellten Sendung "Wo bitte ist Ihr Kühlschrank?" beinhaltete ein nicht nur für Promis erschreckendes Szenario. Denn neben der angekündigten Interviewerin erschien auch immer ein Koch, der sich sofort den Kühlschrank zeigen ließ und damit begann, aus den vorhandenen Zutaten ein Menü für zwei herzustellen. Das war oft ganz schön schwierig, dann zum Beispiel, wenn es zwar Zwieback und Champagner, aber kaum Grundnahrungsmittel gab, aber geschafft hat er es immer.

Nun gibt es einen weiteren Versuch, quotenträchtig zu kochen. Vox, der Sender, der einst mit dem erklärten Ziel an den Start ging, anspruchsvolles Fernsehen zu machen, hat nun die tägliche Koch-Show eingeführt. Und die geht so: Zwei Kandidaten müssen für ungefähr 15 Mark Lebensmittel mitbringen, die dann jeweils unter ihrer Mithilfe von zwei Köchen zu einem oder mehreren schmackhaften Gerichten verarbeitet werden müssen. Der Gewinner darf verreisen, der Verlierer gewinnt einen Korb mit Nahrungsmitteln und das hört sich nicht nur unglaublich schnarchig an, sondern ist es auch. Denn natürlich wollen die Kandidaten wirklich ernsthaft für eine Woche mit einer Person ihrer Wahl in den Bayrischen Wald fahren, weshalb sie immer Lebensmittel mitbringen, die halbwegs zueinander passen. Der bislang einzige ziemlich gräßliche Ausrutscher waren Reibekuchen mit gebratener Blutwurst, aber diese Kreation wurde Tagessieger, was viel über die Jury und ihren Geschmack aussagt.

Die Idee zur Koch-Show ist natürlich nicht dem Sender gekommen, er hat nur das englische Format "Ready, Steady, Cook" übernommen, von dem man unbesehen annehmen darf, daß es viel lustiger ist als das Kölner Nachahmerprodukt, das vor allem durch die Moderatorin, eine besonders hektisch-aufgeregte Nervensäge, besticht.

Und weil alles miteinander so schrecklich unangenehm ist,stellt sich auch niemals der Effekt ein, den sich die Produzenten wohl so sehr wünschen. Das Mitfiebern nämlich, das angesichts von erst halb zubereitetem Kartoffelsalat und der eben angebrochenen letzten Minute vor dem Schlußgong einsetzen soll. Gnadenlos gelangweilt vom Kampf der Kandidaten um ihren Kurzurlaub schaltet man nämlich ganz einfach um, dahin, wo zwar auch unglaublicher Blödsinn veranstaltet wird, aber der wurde wenigstens nie als anspruchsvolles Fernsehen verkauft.