Auf dem demokratischen Teppich

Bremer Islam-Woche macht Milli Görüs hoffähig
Von

Auf dem Teppichboden des Flurs in der Bremer Bürgerschaft knien mehrere Männer und verbeugen sich in Richtung Mekka. Es sind keine muslimischen Abgeordneten, die hier im Bremer Landesparlament ihr Gebet verrichten, sondern Besucher der "1. Bremer Islam-Woche". Unter Schirmherrschaft des Ersten Bürgermeisters Henning Scherf (SPD) sollte von 21. bis zum 28. September in etwa 50 Veranstaltungen der Bremer Bevölkerung die muslimische Religion nähergebracht werden. Ein Vorbereitungskreis aus fast allen muslimischen Vereinen der Hansestadt, der christlichen Kirchen und diversen Verbänden hatte Diskussionen, Ausstellungen, Kulturveranstaltungen, Lesungen und Vorträge organisiert - unter den ReferentInnen: Annemarie Schimmel und der Leiter des Orient-Institus in Hamburg, Udo Steinbach.

Während Scherf die Islam-Woche als bundesweit einzigartige Aktion zur Integration islamischer Mitbürger pries, sorgte sich Bremens Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) um das Wohlergehen der Christenheit. "Wer sich in Bremen Moscheen baut, der muß auch bereit sein, Christen in seiner Heimat anständig zu behandeln." Daß, wer in Bremen Moscheen baut, Bremen auch als seine Heimat betrachtet, schien ihm nicht aufgefallen zu sein. Doch Borttscheller, bekannt für seine gnadenlose Ausländerpolitik und sein repressives Vorgehen gegen schwarze, vermeintliche Drogendealer, konnte auch weniger leicht zu entkräftende Argumente gegen bestimmte Veranstalter vortragen: "Die Islamische Föderation gehört wie andere an der Islam-Woche beteiligten Einrichtungen zum Umfeld des 'Islamischen Gemeinschaft - Milli Görüs', die die stärkste islamisch-fundamentalistische Organisation in Deutschland ist. Was mich an diesen Gruppen stört, ist (...), daß man sich nicht scheut, sich offen antisemitisch und abfällig über die Demokratie zu äußern."

Tatsächlich entwickelt die Islamische Föderation umfangreiche Aktivitäten, um die türkische Bevölkerung in Bremen für ihre fundamentalistischen Ideen zu gewinnen. Mit fleißiger Basisarbeit, besonderen, teils durchaus modernen Angeboten an Frauen und Jugendliche hat sie in den letzten Jahren ihren Einfluß ausgebaut. In scharfer Konkurrenz stehen sie dabei zu den Muslimen der "Diyanet", die eine etwas weniger religiös-fundamentalistische, aber politisch ebenfalls rechte Agitation betreiben. Diyanet arbeitet eng mit der türkischen Staatsmacht und dem türkischen Zentralverband zusammen. Der Zentralverbandsvorsitzende Aydin Findici ist eine Art halboffizieller Vertreter Ankaras in Bremen. Zudem besitzt er ausgezeichnete Kontakte zu Borttscheller und der Bremer CDU. Zusammen mit Milli Görüs-Gruppen bestritt der türkische Zentralverband den Großteil der Veranstaltungen in der Islam-Woche.

Die Organisatoren wehrten sich gegen die Kritik an der Teilnahme von Milli Görüs an der Islamwoche mit dem Hinweis, es handele sich bei der Bremer Islamischen Föderation um einen fortschrittlichen Flügel. Ihr Vertreter Abdulkerim Sari bekenne sich ausdrücklich zur Demokratie. "Sari wird nur vorgeschoben, weil er deutsch spricht und nett zu reden weiß", meint dagegen Alican Beytekin, Vorsitzender des Alevitischen Kulturzentrums. "Das Sagen haben ganz andere Leute, und auf türkisch werden ganz andere Ansichten verbreitet." Die Aleviten, in der Türkei eine religiöse Minderheit, waren zeitweise an der Vorbereitung beteiligt und sollten ursprünglich an einer Podiumsdiskussion teilnehmen. Unter dem doppelten Druck der Islamischen Föderation und des türkischen Zentralverbands - so Beytekin - scheiterte diese Veranstaltung schließlich. So kamen die Aleviten in der Islam-Woche nur noch als Objekt vor - als Thema eines von der Universität Bremen organisierten Vortrags.

Türkische Linke teilen Beytekins Einschätzung der Islamischen Föderation: "Die wollen nur hoffähig werden", sagen Düsgün Altun und Semra Ulosoy von DIDF (Förderation der demokratischen Arbeitervereine). "Ihre Propaganda unter der türkischen Bevölkerung sieht ganz anders aus." Die Außendarstellung in der deutschen Öffentlichkeit werde sorgfältig geplant. "Wie andere Religionen auch, hat sich der Islam modernisiert und angepaßt, aber im Kern ist seine Funktion geblieben. Das Problem sind ja nicht die Gläubigen - die Leute werden einfach mißbraucht." Es sei nicht so, daß es sich hier um dumpfe FanatikerInnen handle, unter den Kadern seien gut ausgebildete AkademikerInnen, die Islamischen Föderation sei eine straff geführte politische Organistation.

In der Tat strafen die Darbietungen der Islamischen Föderation die Klischees vom vollbärtigen religiösen Eiferer Lügen: Ein Beispiel war der von ihr organisierte Vortrag "Muslime und der säkulare Staat". Der Referent Wolf Ahmad - von Beruf Oberstleutnant der Bundeswehr - zeigte durchaus akademisches Niveau.

"Der Bremer Senat hat diese Woche veranstaltet, weil er die islamischen Organisationen einbinden und unter Kontrolle halten will", sagt Semra Ulosoy. "Aber in Wirklichkeit profitieren die Islamisten davon - sie verfügen nun über Kontakte in die Landesregierung, zur Kirche und zu Vereinen." Dem Ziel, ihr Image in der deutschen Bevölkerung aufzupolieren, dürften die Islamisten mit der Woche tatsächlich näher gekommen sein. Zwar zeigte die türkisch-islamische Bevölkerung wenig Interesse. Doch obwohl sich das Publikum auf interessierte Deutsche und muslimische Vereinskader beschränkte, waren die meisten Veranstaltungen außerordentlich gut besucht.