Die Elisabeth Noelle-Neumann- Masche

Erbsen fürs Volk

Sie zählt mit. "Das ist jetzt die achte Kampagne dieser Art", informiert Elisabeth Noelle-Neumann den Focus vom 22. September. Der US-amerikanische Fachkollege Christopher Simpson hatte bereits im Sommer 1996 für das Journal of Communication eine längst fällige Abrechnung mit der früheren Nazipublizistin und heutigen CDU-Gefolgsfrau verfaßt - längst fällig und stichhaltig, so weit man sich über den Gehalt jener Studie durch den Spiegel (Nr.36/1997) informieren konnte und kann. Demnach stellte Simpson nicht allein Noelle-Neumanns Arbeit für Goebbels' Topblatt Das Reich nochmals dar, sondern unterstrich darüber hinaus den autoritären Charakter der Noelleschen Allensbach-Demoskopie: ihren rassistischen Impuls, den sublimen Haß auf das Herum- und Mitreden in der Demokratie, ihre Machtfixierung, ihre Funktion als Herrschaftsinstrument und ihre höchstgradige wissenschaftliche Fragwürdigkeit.

Meinungsforschen ist ein Vor-sich-hin-Murmeln, das mittels pseudoexakter Verfahren und eines einflußreichen Apparates als gesicherte öffentliche Meinung verkauft wird. Noch die plumpeste Widerspiegelungstheorie trifft das Wesen solcher Scharlatanerie. Verfechter des Erbsenzählens aus der eigenen Dose reden von "wertfreier Forschung". Was Frau Noelle indes belegt wissen will, läßt sie sich sagen und ihren Mitarbeitern in die Bögen diktieren. Das weiß man.

Interessanter am Fall Allensbach-Noelle dürfte allemal sein, daß nunmehr der Dienstherrin lachhaftes Ankreuzspiel als der Humbug eingestuft wird, der er immer war. Adorno balgte sich noch mit würdelosesten Positivisten herum, schreckte jedoch zu Recht vor einer irgend näheren Beschäftigung mit dem elisabethanischen Schmonzes zurück. Nun lesen wir aber auch, daß die große Lady qua Doktorarbeit 1940 den Beweis zu führen trachtete, "die Juden" gingen seit 1933 gezielt demagogisch gegen "Deutschland" vor. Das verhetzte und ganz verhuschte und eingeschüchterte "deutsche Volk" beugte sich der üblen Meinungsmache und schwieg folgerichtig. Späterhin erfand Noelle für diese Mystik der politischen Empirie den noch dunkleren und unsinnigeren Begriff "Schweigespirale" - alles in allem Chiffre für ein Programm der dreisten Überredung zum Opportunismus seitens professoraler Publizistik.

Es ist schlicht der Wahn einer piefigen rechten Publizistin, die auf Wissenschaft machen darf und ihr "Volk" durch Totalbefragung zur eisernen Gemeinschaft verschweißen will. Heute gilt die Gescholtene weitenteils als unantastbar; Kurt Sontheimer attestierte via Zeit vom 26. September phänomenale heuristische Entdeckungen und ein großes Lebenswerk. "Sie war nicht in der Partei", Ende. Ihre Manipulationen von Wahlprognosen und ihr reaktionär-vaterländisches Geklüngel mal entschieden beiseite, schien sie zuletzt auch noch gleichermaßen widerliche Subalterne aus dem eigenen Stall, dem Institut für Publizistik an der Universität Mainz wider die Auswüchse "amerikanischer Lust und Laune", aufgefahren zu haben. Über die studentische Hilfskraft Scheckel sollte eine kleine, aber effektive Hetzschrift gegen Simpson lanciert werden. Das mißlang. Im Focus benannte Noelle den Ursprung der "Kampagne": Die Goldhagen-Konjunktur", die jüdische.

Das hilft nur noch "deutsche Demoskopie" (Zeit).