Christiane Zwank

»Ich habe alles gerettet«

Warum finden Sie den Begriff "Transidentität" angemessener als "Transsexualität"?

Transidentität bedeutet für uns, daß wir unseren Körper sehen und sagen: Das ist nicht unser Körper. Transsexualität wird immer der Homosexualität zu- und nachgeordnet. Transidentiät heißt, es gibt ein Identitätsproblem, wo sonst nur nach der sexuellen Ausrichtung gefragt wird.

Gab es in dem Moment, als Sie wußten, daß Sie "in einem falschen Körper" leben, Weiblichkeitsideale für Sie?

Nein. Ein weibliches Vorbild, im Sinne von Vorleben, hatte ich nicht. Ich habe mir Frauen angeguckt, den Busen der einen, die Beine der anderen und dann meine eigene Traumfigur zusammengebaut. Weibliche Vorbilder habe ich nicht gesucht, ich war ja Frau. Ich sah nur aus wie ein Mann und mußte diesen Mann 37 Jahre spielen. Und ich wollte ihn auch spielen, denn ich wollte ja nicht Frau werden.

Gibt es etwas aus Ihrer Vergangenheit als Mann, das Sie als positive Erinnerung mitgenommen haben in Ihr neues Leben als Frau?

Ich habe alles gerettet. Ein großes Erlebnis war die Geburt meiner Tochter - wobei ich gedacht habe: Ich kriege die jetzt. Ich gehöre zu den Menschen, die ihre Vergangenheit nicht leugnen. Sicher, das männliche Gebaren habe ich zum großen Teil verlernt oder ablegen dürfen. Aber 37 Jahre streicht man nicht einfach. Ich kenne allerdings ganz viele andere, die sagen, meine Vergangenheit existiert nicht mehr, sie zerreißen jedes Bild, jedes Dokument. Dieses Leben vorher gehört aber zu mir, auch wenn es vielleicht schmerzvoll war.

Was bedeutet der Schritt zur geschlechtsangleichenden Operation für den Körper?

Wenn sich herausgestellt hat, daß ein Mensch transsexuell ist, bekommt er oder sie in der Regel bis ans Lebensende Hormone in höhereren Dosierung, was natürlich die Gefahr von Krebs, Thrombose oder Leberschäden einschließt.

Gibt es Erfahrungen von transsexuellen Frauen, die 50, 60 oder 70 Jahre alt sind?

Nein. In der Regel ist es so, daß Transsexuelle, wenn sie "fertig" sind, ihr ganz normales bürgerliches Leben leben und nicht mehr in Selbsthilfegruppen gehen oder Kontakt zu ihren Gutachtern halten. Sie sind nicht mehr erreichbar. Das heißt, es gibt auch keine Statistiken darüber, welches Durchschnittsalter Transsexuelle erreichen, ob sie vielleicht früher sterben.

Gibt es Unterschiede im Alter zwischen dem Coming-out als Homosexuelle/r und dem von Transsexuellen?

Es ist in jedem Alter möglich. Ich berate Menschen, die 16 sind oder über 40.Es kommt darauf an, wie groß der Leidensdruck ist, und wie lange diejenigen damit leben können. Ich habe es eben nur bis 37 geschafft.

Wie muß man sich die Gutachten vorstellen, die darüber befinden, ob die Operation durchgeführt wird.

Ich habe festgestellt, daß Gutachter auch Fragen stellen, die auf ihrer eigenen Neugierde basieren und nicht unbedingt etwas mit dem Gutachten zu tun haben. Als man mich damals, 1988, gefragt hat, ob ich mir vorstellen könne, daß nach meiner Operation dann ein Kerl kommt und mit seinem Schwanz in mich eindringt, konnte ich nur antworten, daß ich das nicht wisse, weil ich mir darüber keine Gedanken gemacht habe. Aber eins, habe ich dem Professor gesagt, weiß ich sicher: Sie nicht.

Wird in Selbsthilfegruppen darüber gesprochen, welche möglichen Gefahren es in Bezug auf zukünftige Partner und deren sexuellen Phanatsien gibt?

Das ist überhaupt kein Thema. Vielleicht in einer Einzelberatung, aber nicht in der Selbsthilfegruppe, da ist zum einen die Scham, darüber zu sprechen, zum anderen sind ja viele ohne Partner. Sie stehen ja noch am Anfang, wollen vielleicht, aber trauen sich nicht, weil sie mit sich selbst genug zu tun haben.

Anders ist die Situation bei denjenigen, die in einer Beziehung sind und die nun Frau oder Mann werden wollen. Diese Partnerschaftsprobleme besprechen wir natürlich.

Weiß Ihr Arbeitgeber, die Kirche, daß Sie früher ein Mann waren?

Ich habe da schon vorher gearbeitet und habe meinen Arbeitgeber darauf vorbereitet, das und das passiert mit mir. Als ich gesagt habe, daß ich irgendwann als Frau zur Arbeit kommen werde, wollte man mir fristlos kündigen, aber dann haben sie es sogar mitgetragen.

Christiane Zwank lebt als transsexuelle lesbische Frau in Berlin, sie arbeitet als Küsterin und engagiert sich in einer Selbsthilfegruppe. Die 46jährige war zweimal verheiratet und hat eine Tochter