Janz Berlin is blöde

Die Fans von Hertha BSC müssen unter ihrem Club schwer leiden

Als die Berliner Hertha gerade aufgestiegen war, richtete man sich als Hertha-Hasser schon auf eine schreckliche Saison ein, denn diesmal war alles ganz anders: Ein Präsidium, wie jeder andere Bundesligist es auch hat, richtige Sponsoren und echte Fußballspieler, die Zeiten versprachen wirklich hart zu werden. Mindestens die Berliner Tageszeitungen sahen das genauso. Während die Bild ("Ganz Deutschland schwärmt von dieser Hertha") schon ausrechnete, wie viele Tage es noch dauern würde, bis Hertha endlich im Uefa-Cup spielen kann, stellten die etwas gemäßigteren Blätter zusätzliche Redakteure ein, denn, soviel war klar, es würde ungeheuer viel zu bejubeln geben.

Soviel geballtes Selbstbewußtsein wirkte anderswo durchaus ansteckend: Vor Saisonbeginn waren der MSV, Rostock und Aufsteiger Wolfsburg die von Experten meistgenannten Absteiger, Hertha kam nicht nur in Berlin im Kampf um den Klassenerhalt einfach nicht vor.

Nach sieben Spieltagen sah alles aber ganz anders aus: Hertha ist bloß in der Zuschauertabelle ganz vorne (hinter Bayern auf dem 2. Platz), in der richtigen jedoch ganz hinten. Dazu brauchte man aber eigentlich nicht mal die Statistik zu bemühen, sondern bloß im Berliner Straßenverkehr gut aufzupassen: Die Aufkleber, die noch vor wenigen Monaten jedes zweite Berliner Auto zierten, wie das "Bitte nicht hupen - Fahrer träumt von Hertha BSC" oder der ungleich stulligere "Janz Berlin knutscht Hertha", sind nämlich fast alle verschwunden. Wahrscheinlich waren die Fahrer es einfach leid, von Vorbeifahrenden höhnisch angemacht oder von Fußgängern mit eindeutigen Gesten beleidigt zu werden, so daß sie eines Tages die Konsequenzen zogen: Es war wohl schon dunkel, als sie ihr Auto in einer abgelegenen Ecke des Hofes parkten und sich mit einem schnellen Blick davon überzeugten, daß niemand sie beobachtete. Dann ging alles wohl sehr schnell, ein kurzer Ratsch, denn sonst hätte es noch viel mehr geschmerzt - und dann standen sie wohl doch noch eine Weile da, der Mann und das nunmehr schmucklose Auto. Und dachten zurück: Es war ein stolzer Tag gewesen, damals, vor wenigen Monaten, als der Verein endlich den Aufstieg geschafft hatte, ein Tag, an den man sich immer erinnern wollte - und da war der Aufkleber gerade recht gekommen. Ein bißchen schwierig war es schon gewesen, ihn zu beschaffen, immerhin fünf Kioske hatte man abklappern müssen, aber dann hatte man es schließlich geschafft. Am nächsten Morgen hatte man auf dem Weg zur Arbeit schon ein bißchen stolz in der Schlange gestanden, denn schließlich gehörte man jetzt dazu. Wildfremde winkten plötzlich, lächelten herüber, hupten, und auf der Arbeit erkundigten sich die Kollegen danach, wo man denn diesen Aufkleber erhalten könne - es waren schöne Zeiten gewesen.

So dachte der Mann auf dem Hof, dann gab er sich jedoch einen Ruck, zerknüllte das papierene Symbol in seiner Hand und warf es in den Mülleimer, dann ging er, ohne noch einmal zurückzublicken.

So war es in den letzten Wochen zigtausendfach in der Hauptstadt geschehen, während die Hertha, nach Aussage von Fachleuten, "schön spielte und erbärmlich verlor". Nach dem siebten Spieltag hatte sie fünf Punkte Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz, was bei der Dreipunkte-Regel nicht wirklich viel ist, aber trotzdem die gesamte Stadt in Alarmstimmung versetzte. Denn, so rechneten die Experten, "es geht nicht um die fünf Punkte, die Hertha von der sicheren Zone trennen, sondern um die beiden, die sie bislang erst hat, nach sieben Spielen!" 40 Zähler brauche man nämlich in dieser Saison zum Klassenerhalt, aus nunmehr bloß noch 27 Begegnungen, und das sei auch dann schwierig, wenn man nicht Hertha heiße.

So mußte also etwas passieren, deswegen stellte sich der Vorstand sich auffällig eindeutig hinter Trainer Jürgen Röber, in Berlin immer Zeichen dafür, daß man besser sofort mit der Jobsuche anfängt. Und der Regierende Diepgen rief am Vorabend vor dem entscheidenden Spiel gegen den FC Köln in der Bild: "Berliner, helft Hertha!" Eberhard Diepgen, die Fußballfans der Stadt kennen das schon lange, sitzt nämlich in wichtigen Situationen schon gewohnheitsmäßig auf der Tribüne der Clubs.

Das ist normalerweise jedoch kein Problem, denn Glück hat der Diepgen Berliner Teams noch nie gebracht. "Da wird der Ball wieder umständlich geholt, aber vielleicht sind die Spieler darüber auch ganz froh, denn wenn er ruht, dann können sie wenigstens keine Fehler machen", erklärten die Reporter des Berliner Inforadios das Spiel, das zunächst so verlief, wie Spiele immer verlaufen, wenn Hertha BSC beteiligt ist: "Hin und her geht das Spiel, und immer wieder liegen Spieler am Boden."

Dann jedoch passierte das Unvorhersehbare: Hertha ging in Führung, und der Gegner schoß kein Tor.

Und bescherte den Berlinern damit ziemliche Probleme: Wo bekommt man nun neue Hertha-Aufkleber her? Und welcher Dussel hat die Termine für die nächste Uefa-Cup-Saison verkramt?