Pro Jugoslawien

Milosević will kein zweiter Gorbatschow werden

Milosevićs Wechsel vom Amt des serbischen in das des gesamt-jugoslawischen Präsidenten im Sommer dieses Jahres hat seine Position geschwächt. Bei einer dritten Amtsperiode in Serbien, die nach der Verfassung ausgeschlossen ist, wäre er wieder von der Bevölkerung direkt gewählt worden - der jugoslawische Präsident wird hingegen vom Parlament bestimmt, was eine ungleich schwächere Legitimation bedeutet.

Daß die Position eines föderativen Präsidenten in Konflikten mit den direkt gewählten Chefs von Einzelrepubliken wenig wert ist, zeigte zuletzt der Zerfall der UdSSR: Der sowjetische Präsident Gorbatschow verlor zusehends an Renommee und Machtbefugnissen gegenüber dem russischen Präsidenten Jelzin. Ende der achtziger Jahre wurden alle Schwierigkeiten in den Teilrepubliken Gorbatschow und seiner Administration zugeschrieben, Jelzin konnte gegen ihn die Rolle des Volkstribunen spielen. Ähnliches droht auch in einem Machtkampf zwischen Milosević auf der einen, Seselj als serbischen und Djukanović als montenegrischen Präsidenten auf der anderen Seite.

Milosevićs Vorstoß, auch den jugoslawischen Präsidenten künftig direkt vom Volk wählen zu lassen und ihm erweiterte Kompetenzen in der Außen- und Finanzpolitik zu übertragen, ist gegen diese zentrifugalen Tendenzen gerichtet. Die montenegrinische Parteireformer um Djukanovic« laufen Sturm dagegen, weil ihre Teilrepublik nur ein Zwanzigstel der Bevölkerungszahl Serbiens hat und deswegen ihr Stimmenpotential bei einer Direktwahl eine vernachlässigbare Größe darstellt. Ein weiteres Mal wird hier die Idee der Demokratie - One Man, One Vote - konterkariert durch das sogenannte Selbstbestimmungsrecht der Völker.