Staatlich organisierter Krawall

Die Rechten mobilisieren im großen Stil zu ihrem Aufmarsch gegen die Antifa-Demo in Saalfeld

In der Vergangenheit sind direkte Konfrontationen zwischen Linken und Rechten bei Demonstrationen eher die Ausnahme geworden. Die Polizei sorgt in der Regel dafür, daß Nazis und Antifas nicht zueinander finden. Am 11. Oktober scheint sich jedoch in der thüringischen Kreisstadt Saalfeld eine staatlich geförderte Auseinandersetzung anzubahnen. Wenn das Landratsamt nicht doch noch ein Verbot ausspricht, wird an diesem Tag um 15 Uhr nicht nur die bundesweite Antifa-Demonstration unter dem Motto "Den rechten Konsens durchbrechen!" in der Kleinstadt stattfinden, sondern auch ein Aufmarsch von Neonazis und anderen Rechtsextremisten. Gleich nachdem das antifaschistische Bündnis aus unabhängigen Antifas, Gewerkschaften, PDS, Grünen und rund 30 weiteren Organisationen Ende Juli den Termin für die geplante Demo gegen rechte Strukturen in Saalfeld und Umgebung bekanntgegeben hatte, meldete die NPD einen Aufmarsch am selben Tag, zur selben Zeit an.

Während in anderen Städten wohl ohne größere Umstände die Provokation der Neonazis verboten worden wäre, folgten Stadtrat und Landratsamt in Saalfeld jedoch genau den Maximen, gegen die das antifaschistische Bündnis am übernächsten Samstag auf die Straße gehen will: Die Kriminalisierung antifaschistischer Initiativen und die Duldung und Förderung rechter Strukturen. In einem Offenen Brief der Stadtverwaltung und weiten Teilen des Stadtrates an die Organisatoren der Antifa-Demo heißt es: "Die dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts, die unsägliches Leid nicht nur über das deutsche Volk (sic!), sondern über die gesamte Menschheit gebracht haben, implizieren und erfordern geradezu diese konsequente Haltung gegen Gewalt, Rechtsmißachtung und politische Ignoranz." Am Ende des Schreibens dann die Aufforderung an die Organisatoren, "die für den 11. Oktober geplante Demonstration abzusagen, um noch größeren Schaden von der Stadt Saalfeld und der Öffentlichkeit abzuwenden". Diesem Ansinnen kamen die Veranstalter selbstredend nicht nach.

Das Verhalten der Saalfelder Behörden erinnert fatal an ostdeutsche Kleinstädte wie Schwedt und Wurzen, wo eine Mischung aus organisierten Neonazis und rechten Jugendlichen die Hegemonie auf der Straße herstellt. Menschen, die sich nicht anpassen, wird das Leben schwer gemacht, während die Kommunalpolitiker zu allererst um das Ansehen ihrer etwas ab vom Schuß liegenden Kleinstadt bangen und die Schuld bei denen suchen, die gegen rechten Terror und organisierte Neonazis aufstehen.

Wie die Antifa Saalfeld mitteilte, machten Vertreter der Stadt, der Polizei, des Staatsschutzes und des Ordnungsamtes bei einem sogenannten Kooperationsgespräch mit den Veranstaltern der Antifa-Demo am 1. September folgende Auflagen: keine Maskierung, Verbot von Seitentransparenten, starke Beschneidung der Demoroute und ein Innenstadtverbot für die Demoteilnehmer, obwohl die Abschlußkundgebung vor dem Rathaus geplant war. Bislang sind beide Veranstaltungen angemeldet und gelten damit als genehmigt. Ob dies so bleibt, ist noch nicht abschließend geklärt. Zur Zeit werde ein Verbot einer oder sogar beider Veranstaltungen, wie es Stadtrat und -verwaltung dem Landratsamt empfohlen haben, einer "innerbehördlichen Prüfung" unterzogen, so eine Sprecherin des Landratsamtes gegenüber Jungle World. Mit einer Entscheidung sei erst in den kommenden Tagen zu rechnen.

Die Rechten mobilisieren mittlerweile unter anderem über die Nationalen Infotelefone in Erfurt und Gotha ebenfalls bundesweit für ihren Marsch. Der NPD haben sich der Thüringer Heimatschutz, die Kameradschaft Gera, Die Nationalen und die Neue Thüringer Zeitung (NTZ) als Unterstützer angeschlossen. Im Internet heißt es nachdrücklich, es "wird erwartet, daß alle Nationalen nach Saalfeld kommen".

Das Neonazi-Netzwerk in Ostdeutschland funktioniert: Rechter Drahtzieher im Kreis Saalfeld ist der Neonazi Tino Brandt, der bereits seit Anfang der neunziger Jahre einschlägig aktiv ist. Neben seinen regionalen Aktivitäten ist er verantwortlich für das Erscheinen der NTZ. Zusammen mit vier Schwesterzeitungen aus anderen Regionen und dem Mutterprojekt Berlin-Brandenburger-Zeitung bildet die NTZ den "nationalen Medienverband", der mit seinen semi-professionell aufgemachten Blättern "einfache Leute" ansprechen will und nach eigenen Angaben eine Auflage von über 50 000 Exemplaren erreicht.

Zahlreiche Fäden laufen im Hintergrund - nicht nur im Fall Saalfeld - bei dem Berliner Mittfünfziger Frank Schwerdt und seinem Neonazi-Verein Die Nationalen zusammen. Der Verein hat nach eigenen Angaben mittlerweile 14 Kreis- und Ortsverbände in Ostdeutschland, so etwa im thüringischen Gera. Schwerdt und sein Verein sind sowohl verantwortlich für die Zeitungen des "nationalen Medienverbandes" als auch für den Aufbau und die Koordinierung zahlreicher neonazistischer Kameradschaften in den östlichen Bundesländern. Erst Mitte August, beim Verbot der Kameradschaft Oberhavel aus Hennigsdorf, bezeichnete das brandenburgische Innenministerium Schwerdt als Anführer der Kameradschaft und bescheinigte ihm damit einmal mehr, in zentralen Punkten für den Aufbau und die Funktion der ostdeutschen Neonazistrukturen verantwortlich zu sein. Inzwischen soll Schwerdt, wie die Zeitung Der Rechte Rand mitteilte, auch wieder Mitglied der NPD sein.

Angesichts dieses Potentials werden sich am 11. Oktober vermutlich mehrere Hundert Rechtsextremisten in Saalfeld versammeln. Zu den Zugereisten kommt allerdings noch das heimische Personal. Saalfeld mangelt es selbst nicht an organisierten Neonazis und rechten Jugendlichen.