Ein Gespräch mit Dario Fo über den Literatur-Nobelpreis

»Ich? In Stockholm?«

"Die Schweden wollen Dario Fo den Frack anziehen", schrieb bereits 1975 der Corriere d'informazione, als die Meldung kam, der weltbekannte Bühnenautor und Schauspieler solle den Nobelpreis für Literatur erhalten. Das war nicht nur eine sublime Anspielung auf eine frühe Farce von Fo, "Der Nackte und der Mann im Frack", in der Fo sich schon Mitte der fünfziger Jahre, wie noch so oft, über die Herren in Frack und Stresemann lustig machte. Tatsächlich dachte und denkt man bei dem Wort Nobelpreis wohl eher an eine Komödie eines der meistgespielten Gegenwartsautoren in Deutschland als an eine Realsatire. Auf die damalige Frage, ob er sich im Frack vor dem schwedischen König niederknieen würde, antwortet Dario Fo:

Den Frack werde ich bestimmt niemals anziehen. Er kleidet mich nicht. Was das Niederknieen betrifft, so bin ich berühmt für meine Abneigung gegen alle Arten von Untertänigkeiten. Diese Sache mit dem Nobelpreis ist aber wirklich komisch. Ich stelle mir die Gesichter bestimmter Polizeipräfekten, Staatsanwälte und Politiker vor, die ich kenne. Sie haben sich bisher sehr bemüht, mir das Maul zu stopfen, mir Handschellen anzulegen, und jetzt spielen die Schweden ihnen diesen Streich. Was die für einen Schreck kriegen, wenn sie einen Nobelpreisträger verhaften müssen.

Würden Sie den Preis annehmen?

Das wäre sehr lustig. Ich käme mir vor, wie in einer meiner Komödien. Können Sie sich das vorstellen: Ich in Stockholm? Der König ruft mich, ich komme rein und sage: 'Guten Morgen, mein Herr', nicht König oder Majestät. Was zum Teufel sagt man da? Sie haben hier eine Auszeichnung für mich? Welche Ehre für mein Land. Wissen Sie auch, daß ich in Italien zuweilen Auftrittsverbot habe, und mich mit der Stadtverwaltung von Mailand streite, weil sie mir ein leerstehendes Gebäude, das abgerissen werden soll, nicht als Theater überlassen wollen? Na, macht nichts. Ich habe den Preis und bin glücklich. Geben Sie mir ein Küßchen, Majestät?

Sie wären in guter Gesellschaft!

Lassen wir diese Späße beiseite. Ich laufe kein Risiko, den Preis zu kriegen, und das aus zwei Gründen: Der Nobelpreis hat, mehr als andere Preise, eine präzise politische Ausrichtung, und deshalb ist es unwahrscheinlich, daß sie ihn einem Störenfried geben, wie ich es bin.

Der zweite Grund ist, mein Theater ist nicht für die Geschichte gemacht. Ich schreibe und spiele Satiren, die eng verbunden sind mit dem alltäglichen Leben - meine Inhalte verbrennen sich unmittelbar.

Dann eignen Sie sich nicht als Büste?

Mich gießen sie nicht in Gips.

Warum hat man ausgerechnet Sie für den Preis vorgeschlagen?

Ich bin auch in Schweden ziemlich bekannt. Ich bin mehrfach in Stockholm aufgetreten, habe an der Universität unterrichtet und an Konferenzen teilgenommen. Meine Stücke haben großen Erfolg da oben, und wie das manchmal so ist: Die Leute, die sich öffentlich aufregen über den Satiriker Fo, amüsieren sich sehr, wenn sie unerkannt in meinen Aufführungen sitzen.

Von Dario Fo sind in deutscher Übersetzung u.a. erschienen "Ruhe! Wir stürzen ab", "'Offene Zweierbeziehung', 'Eine Mutter', 'Die Vergewaltigung'", "'Zufällig eine Frau: Elisabeth', 'Isabella, drei Caravellen und ein Scharlatan'", "Nur Kinder, Küche, Kirche", "Hohn der Angst", "Geschichte einer Tigerin", "Mama hat den besten Shit", "Bezahlt wird nicht", "Zufälliger Tod eines Anarchisten" (alle bei Rotbuch); "Hilfe, das Volk kommt", "Johannes vom Po entdeckt Amerika", "Der Papst und die Hexe", "'Obszöne Fabeln', Mistero buffo'", "Wer einen Fuß stiehlt, hat Glück in der Liebe" (alle Verlag der Autoren).