64 Jahre 33er-Bewegung?

Der rechte Bund Freiheit der Wissenschaft tagt am Sonnabend in Halle

Wer ist nicht für die Freiheit? Freizeit, Freibier, Freilandeier. Auch die Wissenschaft soll frei sein. Klar. Wenn sich aber der rechte Bund Freiheit der Wissenschaft (BFW) am Freitag, den 24. Oktober, in der Universität in Halle zu seinem 27. Bildungspolitischen Forum trifft, wird es Proteste von linken StudentInnen geben. Unter dem Titel "30 Jahre 68er-Bewegung - Bilanz und Folgen" werden im Tschernyschewskij-Haus unter anderem die ProfessorInnen Elisabeth Noelle-Neumann, Hanna-Renate Laurien, Günter Pättner, Johannes Mehlig und Wolfgang Schuller diskutieren. Moderiert wird das ganze von Kurt Reumann von der FAZ. Klagen über die Folgen der 68er-Bewegung sind nichts Neues in rechten Kreisen: Werteverfall heißt eines der Lieblingsschlagworte, Linksruck und Militanz sind zwei weitere.

Der BFW bezeichnet sich selbst als "überparteilicher Bürgerbund zur Verteidigung der Freiheit von Forschung, Lehre und Studium". Gegründet wurde dieser "Bürgerbund" im November 1970 in Bad Godesberg unter anderem von Hans Maier, Gerhard Stoltenberg und Ernst Nolte. Mittlerweile gehören auch Rupert Scholz, Bundespräsident Roman Herzog und Noelle-Neumann dem Bund an. Der BFW entstand als - im wahrsten Wortsinne - Reaktion auf den Aufbruch an den Universitäten Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre. In der Programmerklärung heißt es, die Freiheit der Wissenschaft sei unter anderem bedroht "durch den Gesinnungsterror ideologisch fanatisierter Gruppen an den Hochschulen gegen Andersdenkende".

Doch Terror gegen Andersdenkende ist eher Sache der konservativen Uni-Retter. Die Notgemeinschaft für eine freie Universität (NofU), ein Ableger des BFW in Berlin, verschickte 1980 eine Liste mit über 1 700 Namen von StudentInnen, AssistentInnen und ProfessorInnen, die linke Flugblätter unterzeichnet hatten, oder durch linke Argumentation in Seminaren aufgefallen waren, an über 11 000 Adressaten in der ganzen Bundesrepublik, darunter sämtliche Landesregierungen, wissenschaftliche, kirchliche und politische Institutionen, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände.

Während die NofU gegenüber Linken also Denunziation im großen Stil betrieb, war sie selbst stets bemüht, die Namen ihrer Mitglieder geheimzuhalten.

Daß der BFW auch heute noch ein zweifelhaftes Demokratieverständnis hat, offenbart sich schon an seiner Struktur. So entscheidet der Bundesausschuß selbst über Neuaufnahmen, um "Unterwanderungen" von politisch Unliebsamen auszuschließen. Im Dezember 1993 veröffentlichte der Bund einen Text, in dem der wohl zu PDS-lastigen ostdeutschen Bevölkerung durchweg die Demokatie-Kompetenz abgesprochen wird: "Ein Wahlergebnis kann überall dort nicht als demokratische Legitimation anerkannt werden, wo das Wahlvolk noch zum großen Teil das Resultat einer jahrzehntelangen, besonders sorgfältigen Kaderpolitik der SED repräsentiert." 1995 forderte der BFW in seinen "5 Thesen zur Einführung von Studiengebühren" die Abschaffung des traditionellen BAföGs. Die freiwerdenden Finanzmittel sollten an die neun großen Begabtenförderungswerke der Parteien und Verbände gehen. Der Ruf nach Elite ist manifest. BFW-Mitglied Artur Woll dazu: "Es ist kaum anzunehmen, daß zahlende Studierende erst mit 27 Jahren das Examen ablegen - ein Alter, in dem Alexander bereits ein Weltreich erobert hatte."

Viele der BFW- Mitglieder machen kein Geheimnis aus ihrer Nähe zu rechten und rechtsradikalen Kreisen. Karl Steinbuch etwa warb in Weikersheim für die Reps. Der Berliner Professor Klaus Motschmann, der auch für die rechtsintellektuelle Zeitung Criticon schreibt, hielt mehrere Vorträge vor dem rechtsextremen Bildungswerk Hoffmann von Fallersleben. An selber Stelle referierte Roland Hahn, Politologe aus Berlin, über die "nationale Identität". Bei einer BFW-Versammlung in Berlin im Mai 1995 nannte Hahn die Angriffe gegen Ernst Nolte und die Anfeindungen gegen die Bevölkerungspolitikerin Charlotte Höhn eine "Gefährdung der Wissenschaft". Auch Arnulf Baring durfte, obwohl kein BFW-Mitglied, bei der Versammlung im Mai 1995 für eine "vernünftige Einwanderungspolitik" werben, bei der zwischen "leistungsfähigen und leistungsunfähigen" ImmigrantInnen unterschieden werde. Die FDP müsse rechts von der CDU aktiv werden, forderte er, die Zukunft gehöre der Berliner Parteirechten um Manfred Kittlaus und Alexander von Stahl.

In Halle tritt vor allem Johannes Mehlig für den BFW ins Rampenlicht. Mehlig hat sich an der Hallenser Uni intensiv an der Evaluierung beteiligt. Am kommenden Samstag soll er nun über die 68er reden. StudentInnen vor allem aus der AG Antifaschismus/Antirassismus im StudentInnenrat wollen den Auftritt jedoch, ebenso wie die gesamte Veranstaltung, verhindern. Sie gründeten eine "Bürgerinitiative gegen Revanchismus, Chauvinismus, Noelleskopie und Alzheimer an der Universität" und laden zu einer Kundgebung um 9 Uhr auf dem Friedemann-Bach-Platz.