Gar nicht sexy

Die Bravo-Familie hat Nachwuchs: Es ist ein Junge!

Wer einmal erlebt hat, wie Computerspiele den normalen Gang der Dinge in einer Zeitungsredaktion behindern können, kann gut verstehen, was bei Bravo Screenfun los ist. In der Kreuzberger Etage von Jungle World wurde am vergangenen Wochenende ein halbes Gigabyte Spielesoftware vernichtet, seitdem werden die teuren Macs wieder für die Zeitungsproduktion genutzt. In München ist das anders. Seit kurzem werden die neuesten Games gleich kiloweise in die Zentrale des Bauer Verlages geschleppt. Kein Wunder also, daß die Redaktion von Bravo Screenfun keine Zeit zum Artikelschreiben hat. Das muß sie auch nicht. Text und Bild werden frei Haus von der spieleproduzierenden Industrie geliefert. Die Redakteure müssen sich dann nur noch durch die schwierigsten Levels von "Diddy Kong Racing", "Mass Destruction", "Bushido Blade" oder eben "Tomb Raider II" kämpfen.

"Tomb Raider" ist die Neuauflage der Abenteuer von Lara Croft, die im November auf den Markt kommt. Das ist Bravo Screenfun immerhin eine Titelseite wert. Das Neue daran: "Lara hat einen Zopf bekommen, der bei jeder Bewegung mitschwingt." Soviel Sex muß sein. Aber da hört's auch gleich wieder auf. Bravo Screenfun verspricht, über "alles, was am Bildschirm Spaß macht", zu berichten. Und das ist nicht allzu viel. Dafür fehlt all das, was sonst bei Bravo Spaß macht. Keine Aufklärung, kein Horoskop, keine deutschen Songtexte, keine Lebensberatung, keine Fotoromane, kein Psycho-Test. Und kein Klatsch, was aber auch klar ist, weil es hier ja auch gar keine Stars gibt. Wer will sich schon das Poster von einem pickeligen Computerprogrammierer ins Kinderzimmer hängen? Dann schon lieber Lara Croft, doch die wird bei Bravo Screenfun nur in der entschärften Version präsentiert. Die Zielgruppe sind schließlich Jungen, die sich nicht für Mädchen interessieren. Sondern für Computer.

Die könnten sich natürlich auch jede andere Game-Zeitschrift kaufen, die sich im Gegensatz zu Bravo Screenfun zumeist auf jeweils ein Anbieter-System spezialisiert hat. Das ist praktischer, weil man ja meistens auch nur ein Gerät zu Hause herumstehen hat. Bei Bravo Screenfun dagegen gibt es alles (außer Macintosh). Zu den nicht enden wollenden Spielepräsentationen wurden noch ein paar Seiten Internet, TV und Kino geheftet - und schon hat man einen "kompetenten Guide durch die neuen digitalen Welten". Meint die Redaktion. Leser Andi aus Leverkusen meint dagegen: "Was soll der ganze Müll über Kino, TV und Konsolen? Das nimmt doch nur den Platz für die wichtigen Infos weg."

Die wichtigen Infos, das sind die Vorstellungen neuer Spiele und die Passcodes und Cheats für die Games, die schon auf dem Markt sind. Die Cheats (oder auch Debugs) sind dazu da, sich in einem Spiel eine bessere Ausstattung zuzulegen, als eigentlich vorgesehen. Unverwundbarkeit zum Beispiel oder eine Superkanone sind in vielen Fällen sehr praktisch. Da kann man schon mal unerschrocken mit Bravo Screenfun ausrufen: "Hossa! Wir werden angegriffen!" Mit einem Passcode kann man direkt in höhere Levels gehen, ohne alle nacheinander durchspielen zu müssen. Das hat Bravo Screenfun nämlich schon erledigt. Immerhin 30 Spiele wurden im "Check" durchgespielt, 80 weitere landeten in der Rubrik "angespielt". Und weil das Angebot an neuen Games gerade so gut ist (Weihnachten!), bekamen sie alle nur Einser und Zweier in der Bewertung.

Vom vielen Jump & Run ist den Leuten bei Bravo Screenfun, die sich im Editorial schon mal im Dirndl und mit Hund vorstellen, danach aber die Puste ausgegangen. Als Wegweiser durch den "Internet-Dschungel" werden Online-Cafés empfohlen, man kann sich anschauen, wie eine CD-Rom von innen aussieht und Tamagotchis, von denen sogar die taz schon weiß, daß sie out sind, werden auf einer Doppelseite für hip erklärt.

Da geht es den anderen Mitgliedern der Bravo-Familie schon bedeutend besser. Neben dem Original und seiner wunderbaren TV-Ausgabe sind Bravo Girl und Bravo Sport auf dem Markt. Im April wurde Bravo Screenfun zunächst als Sonderheft und Markttester herausgegeben, letzte Woche begann das Schicksal als Monatszeitschrift. Startauflage: 380 000 Exemplare. Trotzdem. Während auf den anderen Etagen des Bauer Verlages die neue Platte der Spice Girls, die Onanie-Probleme von Marc (15) oder das nächste Playboy-Centerfold diskutiert werden, darf im Screenfun-Stockwerk auf Aliens geballert und mit Schurken gefochten werden. Ist doch nicht schlecht. Und danach darf man dann noch Sätze wie diese machen: "Spür den Treffer: Das neue Rumble Pak sorgt für echtes Cockpit-Feeling." "Bumm-Bumm für Zwischendurch" "Wow! Da hängt ja jemand kopfüber an der Decke!" "Fußtruppen sind billig und in der Masse wirksam."

"Schön bunt zusammengewürfelt", findet Frederic aus Lüchow das neue Blatt. So bunt, daß einem manchmal schon die Augen wehtun. Was fürs Layout gilt, stimmt auch fürs Konzept. Man zappt sich halt so durch die Spiele-Welten, bis Feierabend ist.

Richtig schlimm ist das alles nicht. Zumindest nicht so schlimm wie die Tatsache, daß sich ausgerechnet Bernd Eichinger die Filmrechte für "Tomb Raider" gesichert hat. Die Rolle der Lara Croft soll dann von Rhonda Mitra gespielt werden.