Italien: Verführung nach rechts

Die Mitmacher desillusionieren die radikalen Linken.

Die Rifondazione Comunista (RC) hat sich mit ihrem unfreiwilligen Beinahe-Regierungssturz das verdiente Schicksal eingehandelt, bis zu ihrer vollständigen Bedeutungslosigkeit die Mitte/ Links-Koalition weitertolerieren zu müssen. Die deutschen Linken, rund um den linken Flügel der Grünen und die PDS, die "den Wechsel" herbeisehnen, brauchen aus dem italienischen Vorfall erst gar keine Lehren zu ziehen. Anders als die RC bieten sie den Schröders der Zukunft ihr Mitmachen gratis an.

Fausto Bertinottis RC lag im Sommer gut im Kurs, als sie den Haushalt der Regierung Prodi attackierte und für den Erhalt des sozialen Status quo agitierte. Doch die Stimmung schlug um, sobald es ernst wurde. "Für ein einiges, europäisches Italien, regiert von der linken Mitte", lautete die populäre Devise der Koalitionsparteien, und die jüngsten Spektakel der Lega Nord trugen zusätzlich dazu bei, sie zum parteiübergreifenden Glaubensbekenntnis zu machen. Als Anfang September in Norditalien mehr als eine halbe Million dem Aufruf der Gewerkschaften folgte und für die unteilbare Republik demonstrierte, wurde das zum großen Sieg des Regierungslagers, obwohl die Rechte, vor allem die Neofaschisten, mit der gleichen Vehemenz für die Einheit kämpfen. Jetzt die Regierung als Juniorpartner zu Fall zu bringen, hätte den Selbstmord der Rifondazione bedeutet. Zeit für die Notbremse also - eine demütigende Handlung zwar -, aber immerhin blieb die Hoffnung, daß in einem Jahr alles vergessen ist. Denn bei Neuwahlen wäre von der RC nicht mehr viel übrig geblieben.

Die italienischen Kommunisten haben 1996 gewußt, daß sie keine parlamentarische Zukunftschance haben würden, wenn sie nicht klarstellten, daß sie ihren Part in einer Linksregierung übernehmen würden. Weil sie ahnten, auf was für eine programmwidrige Modernisierungskiste das hinauslaufen würde, probierten sie den alten Trick, Tolerieren statt Koalieren. Ein schöneres Angebot aber konnten sie Prodi und d'Alema gar nicht machen. Alle Erfolge bei den Massen würden so der Koalition zugeschrieben, alle Mißerfolge dagegen dem ganzen Regierungslager, also auch ihrem Mehrheitsbeschaffer, der Rifandazione Comunista. D'Alema, der schließlich aus dem gleichen Stall kommt wie Bertinotti, konnte seinen Koalitionären versichern, daß ein italienischer Parteikommunist seit 1945 nur eins anstrebe - irgendwie mitregieren zu dürfen.

Prodi wußte als kluger bürgerlicher Politiker, daß mit der Wahl ins Parlament die Zurichtung einer Wahlbewegung nach den Regeln der repräsentativen Demokratie schon weit vorangeschritten und mit der Unterstützung einer Regierung diese Entwicklung nicht mehr umkehrbar sein würde. Bertinotti schließlich, der nie wirklich das Bündnis aufkündigen, sondern lediglich seinen Wahlverein profilieren wollte hatte sich lediglich verrechnet, als er darauf vertraute, daß seine Forderungen die PDS-Koalition in der Rentenfrage zum Einlenken bewegen würde. Er hat verkannt, daß der gleiche Sachzwang, dem er sich als Tolerierer längst unterworfen hat, objektiv keine sozialen Zugeständnisse erlaubte.

Die Regie in der italienischen Beinahe-Krise führte keine Parlamentsfraktion und auch nicht die außerparlamentarische Bewegung, die längst auf die Logik der parlamentarischen Verwaltung gesellschaftlicher Konflikte eingeschworen war. Der Druck auf Italien, in die EU zu kommen - und mithin den Haushalt rigide zu entlasten -, ist keine Einbildung der Rechten, sondern eine Notwendigkeit, ohne die in kürzester Zeit weit mehr verloren wäre als einige Renten. Wer die postfordistischen Krise demokratisch und im Namen der Marktwirtschaft verwalten will - und das will nicht nur in Italien jede relevante politische Kraft -, muß die Maastricht-Kriterien erfüllen.

Daß die Kommunisten in Form ihrer beiden Nachfolgeparteien überhaupt mitregieren dürfen, ist nur zum Teil Ergebnis ihrer demokratischen Zahnlosigkeit seit dem Ende der Sowjetunion - 100 Prozent Sozialdemokraten waren sie spätestens, seit Berlinguer seiner Partei den Eurokommunismus verordnet hatte. Gefahr ging von ihnen früher nur deshalb aus, weil damals tatsächlich mehr an die Lohnabhängigen zu verteilen gewesen wäre - ohne den kapitalistischen Lauf zu gefährden -, als die christdemokratischen Regierungen gewährten. Darüber hinaus standen jenseits der Parteikommunisten linksradikale Basisbewegungen, deren systemwidrige Forderungen sich die Kommunisten möglicherweise zu eigen gemacht hätten.

Weil sie stets nur in die bürgerliche Ordnung hineinregieren wollten, ohne dieselbe wirklich zu gefährden, sind PDS und RC jetzt - wo es innerhalb dieser Ordnung definitiv nichts mehr zu verteilen gibt und links von ihnen keine Basisbewegung mehr steht, die man berücksichtigen muß - die bedingungslosen Vollstrecker des Spardiktats. Damit sind sie die wahren Ausputzer in einer Konstellation, in der die Rechte sich nicht traut, den Job zu machen, weil sie sozialen Protest fürchten muß. Die Stunde der Rechten wird kommen, wenn sich die Linke völlig diskreditiert hat und ihre enttäuschten Anhänger die dann ausgestreckte Hand der Reaktion ergreifen werden, die Stabilität, Populismus und noch brutalere Einschränkungen versprechen wird.

Der Fluch der radikal linken Mitmacher vom Schlage der Rifondazione Comunista ist es, die radikal rechte Zukunft mit auf den Weg zu bringen. Denn die Bertinottis übernehmen die Aufgabe, das in Italien noch vorhandene radikale Potential so zu desillusionieren und zu zersplittern, daß den Finis und Berlusconis der Zukunft keine militante Massenbewegung, sondern nur mehr ein katholischer Bittstellerzug entgegentritt.