Redaktionsleiter der Wochenzeitung Freitag

Wo waren Sie, als das Sparwasser-Tor fiel?

Ich habe es damals am Bildschirm miterlebt, bei mir zu Hause in Halle. Das war in meiner Studienzeit, ich studierte von 1973 bis 1977 in Leipzig Journalistik. Ich kann mich vor allem an ein großes Erstaunen erinnern, als das bewußte Tor fiel, und an eine gewisse Unruhe, ob ein solches Ergebnis überhaupt gehalten werden könnte. Denn nach Sparwassers Tor waren noch zwölf Minuten zu überstehen, und die bundesdeutsche Mannschaft blieb drückend überlegen. Die DDR-Elf kam selten dazu, eigene Angriffe zu starten. Schließlich war auch der Treffer während einer klassischen Kontersituation gefallen.

Diese WM von 1974 fiel allerdings in eine Phase, in der mein Interesse am Fußball schon stark abflaute. Ich war längere Zeit Anhänger des HFC Chemie, während meiner Schulzeit bin ich regelmäßig zu den Oberligaspielen gegangen, aber mit dem Älterwerden verlagern sich die Interessen. Und heute muß ich ehrlich sagen, daß ich keinen Bezugspunkt zu den "gesamtdeutschen" Mannschaften habe. Das Skispringen gehört zu den wenigen Sportarten, die ich mir hin und wieder ansehe, aber seitdem Weißflog nicht mehr springt, auch das seltener.

Mein letzter Anlauf waren die Olympischen Spiele im vergangenen Jahr - die habe ich jedoch nur ertragen, weil ich sie im Urlaub in Frankreich verfolgt habe. Dort war die Berichterstattung zwar erkennbar patriotisch, aber im Ausland nimmt man das anders wahr. Die selbstgefällige Arroganz, von der heute die Sportkommentierung deutscher Fernsehanstalten geprägt ist, hat es in der DDR nicht gegeben. Natürlich war die Berichterstattung damals sehr stark DDR-bezogen, aber sie enthielt keinerlei nationalistische Färbung. Vielleicht, weil sie weniger mit dem Deutschsein zu tun hatte.