Animal Farm

Lurchi, Pegasus und Lupo - Who is Who? Das "Lexikon berühmter Tiere"

In den achtziger Jahren spottete die halbe Welt über Michael Jackson, weil sein bester Freund ein Schimpanse zu sein schien: Bubbles, spätestens berühmt nach seinem tragischen Unfalltod im Frühjahr 1989, zeigte sich damals sogar auf Parties an der Seite des Popstars, nachdem der ihn mit edlem Parfüm besprüht hatte.

Die Menschen zeigten damals mit dem Finger auf den Sänger, weil sie sich ertappt fühlten. Schließlich steckt in jedem von ihnen ein Michael Jackson. Ohne niedliche Tiere kann der Mensch nicht leben, denn sie stehen für ein bißchen Harmonie und Natur in einer durch und durch medialisierten und industrialisierten Welt. Und weil die Zweibeiner geradezu vernarrt sind in drollige Wesen, sind einige tierische Protagonisten aus Zeitgeschichte, Film und Fernsehen zu Stars geworden.

Sie seien allemal so bekannt wie Spitzensportler, konstatieren Karen Duve und Thies Völker, die sich mit ihrem "Lexikon berühmter Tiere" gerade einen Sachverständigen-Status erworben haben. Das ist zwar beim durchaus berüchtigten Eichborn Verlag erschienen, aber ideologisch, stilistisch und humoristisch liegen Welten zwischen diesem Wälzer und den Lexika und Listenbüchern, die die Frankfurter sonst so raushauen. Duve und Völker haben den Begriff Tier sehr weit gefaßt, das heißt, auch nach Tieren benannte Gruppierungen, etwa die Black Panther, oder die mit Tieren nicht zu verwechselnden Backfische und Pleitegeier werden hier gewürdigt.

Wie der verwöhnte Schimpanse Bubbles verdanken viele seiner frühen Vorgänger ihren Status den etwas bekannteren Herrchen: Der braune Pudel Butz etwa war vor rund 140 Jahren Stadtgespräch in Frankfurt, weil ihn sein Gefährte Arthur Schopenhauer beim Mittagessen im "Englischen Hof" häufig mit den Worten "du Mensch" beschimpfte. Bauschan, ein 1920 verstorbener Hühnerhundmischling, hatte die Ehre, "in ergebener Knechtsfreundschaft" zu Thomas Mann "seine Lebenswürde zu finden", wie der schriftstellernde Hundehalter es formulierte. Und die Schäferhündin Blondi war wohl neben Eva Braun die wichtigste Frau im Leben Hitlers. Der Diktator vergiftete die Vierbeinerin kurz vor seinem Selbstmord mit Blausäurekapseln - nicht etwa, weil er Pfote in Pfote mit der alten Kameradin ins nationalsozialistische Himmelreich einfahren, sondern weil er wissen wollte, ob das Zeug wirklich wirkt. Eva Brauns Hund hieß übrigens Stasi - wenn das die Bohley wüßte!

In den fünfziger Jahren wurden manche Tiere berühmt, weil der Mensch sie von den Vorteilen seiner Zivilisation zu überzeugen versuchte: Das Elefantenmädchen Tuffi mußte 1950 in Wuppertal Schwebebahn fahren, sprang aber weit vor der Endstation durchs geschlossene Fenster in die Wupper. Sieben Jahre später wollten ostdeutsche Tiertransportbegleiter den Elefanten Coi Bon Von, ein Geschenk des vietnamesischen Volkes, mit einem Eimer Grog von einer Erkältung kurieren.

Zur selben Zeit mauserte sich der gammelige Igel Mecki, Maskottchen der Hör Zu, zu einer Ikone. So kamen fortan immer mehr Tiere in der Reklame zum Einsatz. Heute würde kein Mensch Dosenmilch kaufen, wenn es nicht diesen Spot gäbe, in dem ein Teddy auf einer Wiese ein paar Kühe streichelt, und auch die "Aktion Sorgenkind" wäre ärmer dran ohne ihr tierisches Model: Der Zeichentrick-Hund Wum sang sich in den frühen siebziger Jahren mit dem Refrain "Ich wünsch mir 'ne kleine Miezekatze für mein Wochenendhaus" sogar in die Single-Charts.

Im Fernsehen haben ohnehin Hunde die besten Chancen, ein Star zu werden. Der beliebteste seit Wum ist Kommissar Rex. In plüschiger Form werden von dem Helden der gleichnamigen Serie hierzulande durchaus mal rund 470 000 Exemplare pro Jahr verkauft. In Wien gilt der Law-and-order-Schäferhund als Star der High Society, sogar der Bürgermeister hat ihn schon zum Empfang geladen. Gelacht hat darüber aber kaum jemand, denn der Stadtvorsteher ist halt nicht Michael Jackson.

Berühmte Tiere erweisen ihren Artgenossen nicht immer gute Dienste. Wenn zum Beispiel Flipper kein Held geworden wäre, müßten dessen ebenso niedliche Kollegen heute nicht in delphinunwürdigen Delphinarien vegetieren. Immerhin: Damit eine Tierfigur berühmt wird, geben sich die Menschen Mühe. Für die Hauptdarstellerrolle in dem humanistischen Kinderfilm "Ein Schweinchen namens Babe" wurden insgesamt 48 Ferkel rekrutiert.

Nicht zuletzt sind populäre Tiere hochpolitische Figuren: Kein Wessi und kein Wendehals wagte es bisher, den Kampf aufzunehmen mit dem DDR-Sandmännchen sowie seinen Gefährten, etwa Frau Elster oder der Ente Schnatterinchen. Sie sind immer noch in Amt und Würden - auf ORB, MDR und N3.

Karen Duve/Thies Völker: Lexikon berühmter Tiere. Eichborn, Frankfurt/M. 1997, 670 S., DM 44