Deutsche Polizisten dürfen Holländer ärgern

Düsseldorfer Gericht stellt radikal-Verfahren ein, und Maastrichter Juristen bestätigen das Vorgehen der Bundesanwaltschaft

Die Bundesanwaltschaft (BAW) kann zufrieden sein. Nachträglich hat jetzt das Maastrichter Landgericht einen Einsatz legitimiert, mit dem die obersten deutschen Strafverfolger am 11. Dezember letzten Jahres im niederländischen Vaals gegen einen vermeintlichen Mitarbeiter der Zeitschrift radikal vorgegangen waren. Eine Hausdurchsuchung und die darauf folgende Beschlagnahme in der Wohnung gefundener Gegenstände wurden "im Rahmen des an die niederländische Justiz herangetragenen Rechtshilfeersuchens durchgeführt", urteilten die Richter am vergangenen Dienstag. Gegen die von der BAW angeordnete bilaterale Polizeiaktion, an der neben elf holländischen auch vier deutsche Beamte beteiligt waren, hatte der Beschuldigte Miguel D. geklagt. Schließlich sei rechtlich fragwürdig, ob der via Amtshilfe zustandegekommene Einsatz überhaupt rechtlich abgesichert sei, kritisierte der in der grenznahen Gemeinde lebende Spanier.

Etwas weniger Zustimmung als im benachbarten Ausland erhielten die Karlsruher Bundesanwälte allerdings durch eine weitere Entscheidung in Sachen radikal: Das Düsseldorfer Oberlandesgericht hat Anfang Oktober beschlossen, das Verfahren gegen fünf angebliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des kriminalisierten Blattes gegen Zahlung einer Geldbuße einzustellen. Dabei hat man sich bei der BAW seit vier Jahren erhebliche Mühe gegeben, die verdeckt organisierte linksradikale Zeitung zur kriminellen Vereinigung zu erklären, deren Ziel es sei, durch den Abdruck von Erklärungen militanter und bewaffneter Gruppen für terroristische Vereinigungen zu werben. Das Strafmaß hätte demnach mehrere Jahre Gefängnis betragen können. Nun sollen die Angeklagten zwischen 2 000 und 6 000 Mark an die Staatskasse zahlen, um sich nicht vor Gericht für die Herstellung der radikal verantworten zu müssen.

In den benachbarten Niederlanden ist selbst mit solchen Maßnahmen kaum zu rechnen. Dort kann die radikal völlig legal verkauft werden, weil man dort mehr Wert auf das Recht der freien Meinungsäußerung legt. Nicht zuletzt deshalb ist das Vorgehen der deutschen Polizei in Vaals in der niederländischen Öffentlichkeit auf scharfe Kritik gestoßen, zumal "duitse autoriteiten" seit der faschistischen Besatzung ohnehin sehr unbeliebt sind. So war nach der Durchsuchung in der Presse schnell von Zensur die Rede und der Amsterdamer Strafrechtsprofessor C.F. Rueter kritisierte: "Man bekommt den Eindruck, daß der deutsche Generalbundesanwalt außer einer dunklen Ahnung kaum etwas hat." Die deutsche Justiz pflege sich in solchen Fällen "über sämtliche Grenzen des Rechtswesens hinwegzusetzen", erklärte der Strafrechtler.

Dem widersprach jetzt das Maastrichter Landgericht. "Die Klage wird als unbegründet angesehen", heißt es im Beschluß vom 28. Oktober. Schließlich seien die Vorwürfe der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und die Werbung für eine solche Vereinigung, wie sie im deutschen Strafgesetz im Paragraph 129 festgeschrieben sind, in den Niederlanden nach den Artikeln 140 und 131 strafbar. Deshalb sei damit einer doppelten Strafbarkeit, die bei Rechtshilfegesuchen gefordert werde, "Genüge getan". Durften die beschlagnahmten Disketten, Rechner, Aufkleber, Flugblätter und Fotos bislang nicht nach Deutschland ausgeliefert werden, so werden sie jetzt, ein knappes Jahr nach der Durchsuchung, zur BAW nach Karlsruhe gebracht.

Denn dort hält man weiterhin an der Verfolgung des linksradikalen Blattes und seiner vermeintlichen Hersteller und Verteiler fest, obwohl nicht nur die Düsseldorfer Richter wenig gewillt sind, zu verhandeln. Bereits Ende August stellte das Koblenzer Oberlandesgericht das Verfahren gegen vier mutmaßliche radikal-Mitarbeiter bei Zahlung von Geldbußen ein. Schließlich, so die zentrale Begründung, sei die Aufforderung zu Straftaten für den Tatbestand der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung nicht ausreichend. Bei den Solidaritätsgruppen für die Angeklagten ist man über Einstellung der Verfahren geteilter Meinung. Zwar sei nun die "kriminelle Vereinigung radikal" nicht festgeschrieben, dennoch sei die Bereitschaft, eine Geldbuße zu zahlen und zudem auf Haftentschädigung zu verzichten, als "Schuldeingeständnis" zu werten. Und tatsächlich formulieren die Düsseldorfer Richter im Beschluß vom 9. Oktober, daß die Beschuldigten durch "ihren Verzicht auf die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen wegen der von ihnen erlittenen Strafverfolgungsmaßnahmen" eine "gewisse Einsicht haben erkennen lassen".

Allemal aber dürften die Entscheidungen von Düsseldorf und Koblenz richtungsweisend für noch anstehende Anklagen gegen zehn Personen aus Berlin, Kiel, Münster und Vaals sein. Auch wenn die Karlsruher Bundesanwälte noch heute gegen sie wegen "Mitgliedschaft in der kriminellen Vereinigung radikal" ermitteln.