Rien ne va plus

Die Anti-Atom-Kampagne "Nix mehr!" versucht sich in Internationalisierung. Noch funktioniert aber die Zusammenarbeit der Konzerne besser

Ende Oktober ging in Göttingen die "Bundesweite Herbstkonferenz der Anti-Atom-Bewegung" zu Ende - doch der solide klingende Titel konnte kaum darüber hinwegtäuschen: Mit einer harmonischen, fest strukturierten Bewegung gegen die Nuklearpolitik rechnet heute fast niemand mehr. In gewisser Weise spiegelt das auch den Anspruch der Atomkraft-Gegner wider: Schließlich will man über die Konsensforderung nach der sofortigen Stillegung aller Atomanlagen hinausführende Vorstellungen und Ziele ständig neu ausloten und diskutieren. Daß es darüber immer wieder zu Zerwürfnissen kommt, liegt schon fast in der Natur der Sache. Seit die Castor-Transporte nach Gorleben zunehmend auch wieder junge Leute zum Widerstand treiben, hat die Anti-Atom-Bewegung auch noch ein Generationenproblem. Drohte die Bewegung noch Anfang der neunziger Jahre zu überaltern, nehmen heute an bundesweiten Kongressen neben den erfahrenen KämpferInnen aus den Bürgerinitiativen und Umweltgruppen zahlreiche jüngere Leute aus regionalen Anti-Atom-Gruppen teil.

Junge und Alte, Militante und Friedensbewegte - die Risse gehen kreuz und quer durch die Anti-Atom-Bewegung. Wenn schon zwischen den unterschiedlichen Aktionsformen kaum ein Kompromiß zu finden ist, so ist man sich doch zumindest darin einig, daß ein solidarisches, ungespaltenes Miteinander zu den Grundlagen einer erfolgreichen Bewegung zählt. Seit nach der "X-tausendmal Quer"-Aktion im Wendland die Gewaltdiskussion neu entbrannt ist, war damit freilich nicht mehr viel los. Wo immer den sogenannten radikalen Pazifisten vorgeworfen wurde, sich als Hilfspolizei betätigt zu haben, indem sie Vermummte oder vermeintlich Militante nicht tolerierten, kam es zu mehr als kontroversen Diskussionen. Auf dem Göttinger Kongreß schien sich nun aber ein Kompromiß anzubahnen. Schon im Rahmen des Krümmel-Aktionstages Ende September hatten Gruppen beider Richtungen Aktionen auf und bei den Gleisen durchgeführt. Trotz der verschiedenen Ansätze versuchte keine der beiden Seiten, die andere zu diskreditieren oder gar behindern; teilweise ergänzten sich die Aktionen sogar.

Ob diese Einigkeit Bestand hat, werden die Aktionen gegen den für diese Woche angekündigten neuen Transport vom schleswig-holsteinischen AKW Krümmel ins britische Sellafield zeigen. Auch in anderer Hinsicht ist dieser Transport ist für die Anti-Atom-Bewegung ein Test: Erstmals werden die im Rahmen der "Nix mehr!"-Kampagne organisierten Aktionen gegen den Transport international aufeinander abgestimmt.

Diese Arbeit will ein internationales Anti-Atom-Netzwerk leisten, das sich Anfang August auf dem "2. Interkontinentalen Treffen" in Spanien gründete. Erste sichtbare Resultate dieser Vernetzung waren zeitgleiche Solidaritätsaktionen zum ersten Krümmel-Aktionstag in Lille und Dunkerque. Während in Deutschland für den Transport schon seit längerem sowohl nach Krümmel als auch an die möglichen Transportstrecken mobilisiert wird, muß der Widerstand in Frankreich zu anderen Protestformen greifen. Weil das dortige Demonstrationsrecht den AktivistInnen die Kosten für etwaige Blockaden auferlegt, ist die französische Bewegung bislang selten mit spektakulären Bildern in die Medien gelangt. In Deutschland wußten selbst engagierte AtomkraftgegnerInnen nicht, daß auch im Nachbarland eine starke Widerstandsbewegung existiert. Im Mai dieses Jahres demonstrierten aber in Le Carnet bei Nantes fast 30 000 Menschen gegen das dortige AKW. Wegen der französischen Gesetzeslage ist aber auch beim nächsten Transport kaum damit zu rechnen, daß die Aktionen in Frankreich über das Beobachten des Zuges hinausgehen werden.

Wenn der Zug am 6. November das britische Sellafield erreicht, soll es aber mit der Ruhe endgültig vorbei sein. Francis Althoff, Aktivist aus dem Wendland und Mitautor des Buches "Leben im Atomstaat", rechnet mit den "TunnelexpertInnen" unter den britischen AktivistInnen: "Trotz harter Repression gibt es dort ein äußerst kreatives Spektrum." Die deutsche Anti-Atom-Bewegung habe viel von den Briten gelernt, was zum Beispiel die Seiltanz-Aktion während des letzten Transportes im Wendland gezeigt habe, die die Castor-Behälter für mehrere Stunden stoppte.

Aktuelle Information zu laufenden oder geplanten Anti-Atom-Aktionen bietet die folgende Website: www.oneworldweb.de