FC Likud gegen VfL Liberale

Die israelischen Fußball-Vereine sind meistens parteipolitisch gebunden

Nicht allzulang vor seinem Ableben hatte der britische Tycoon Robert Maxwell eine Idee, die er selbst hervorragend fand, die die Betroffenen aber nicht einmal im Traum akzeptieren wollten. Maxwell wollte die Fußballmannschaften der Jerusalemer Sportvereine Beitar und Hapoel aufkaufen und zu einem Team zusammenschmieden. Auch an einen Namen hatte der Geschäftsmann bereits gedacht: Ähnlich wie es Manchester United gebe, könnten die vereinten Kicker der israelischen Hauptstadt als "Jerusalem United" antreten.

Sowohl sportlich wie kommerziell hatte Maxwells Idee einiges für sich. "Jerusalem United" hätte das Spielerpotential gehabt, um nicht nur ewiger Landesmeister zu werden, sondern auch in den europäischen Wettbewerben mitzuspielen, ohne gleich in der Vorrunde wieder herauszufliegen, wie es bis heute das Schicksal von Kickern aus Zion ist. Und da beide Jerusalemer Klubs damals finanziell klamm waren, hätte eine Geldspritze vom reichen Onkel Robert ihren Reiz gehabt. Doch Maxwells Fusionsidee scheiterte an den Fans: Die hassen sich wechselseitig mit Inbrunst. Ein Zusammengehen von Beitar und Hapoel war für die jeweiligen Anhänger schlicht unvorstellbar.

Die Wurzeln dieser gegenseitigen Unverträglichkeit von Hapoel und Beitar liegen, wie so vieles in Israel, in der Politik begründet. Bereits in den zwanziger Jahren, so der Politologe Ido Nevo von der Hebräischen Universität in Jerusalem, hatte die Parteipolitik des damals noch kleinen jüdischen Gemeinwesens in Palästina auch vom Sport Besitz ergriffen und die Körperkultur ins Konfliktfeld rivalisierender Ideologien gerückt.

Die größte und wichtigste Sportbewegung der frühen Jahre des Jischuw war der 1926 gegründete Verband "Hapoel" (der Arbeiter), die für Körperertüchtigung der breiten Massen zuständige Organisation des Gewerkschaftsbundes Histadrut. Schärfste Konkurrenz der proletarischen Sportler war das den bürgerlichen Allgemeinen Zionisten nahestehende "Makkabi". Die rechtsnationalen Revisionisten Jabitinskys sammelten sich im "Beitar". Selbst die zahlenmäßig kleine nationalreligiöse Bewegung trat mit einer eigenen Turn- und Sportbewegung, "Elitzur" genannt, an.

Loyalität zum jeweiligen Verein war für die meisten sportbegeisterten Israelis dann auch Teil einer umfassenden Weltanschauung. Beim Fan eines Vereins von Hapoel durfte unterstellt werden, daß er die Arbeiterpartei wählte, Mitglied der gewerkschaftlichen Krankenkasse war, die gewerkschaftliche Tageszeitung Dawar las und in einer vom gewerkschaftseigenen Bauunternehmen Solel Boneh errichteten Wohnung lebte. Demgegenüber gingen Sympathien für eine Mannschaft von Makkabi mit der Stimmabgabe für die Allgemeinen Zionisten beziehungsweise die Liberale Partei, der Mitgliedschaft in der Makkabi-Krankenkasse und der Lektüre der liberalen Tageszeitung Haaretz einher. Ein Anhänger von Beitar wählte Cherud bzw. Likud, ließ sich von der Nationalen Krankenkasse versichern und las ein rechtsgerichtetes Blatt. Und die jeweiligen Vereinspräsidenten wurden von den entsprechenden Parteien ernannt.

Heute, so der Wissenschaftler Nevo, hat die parteipolitische Bindung der Sportvereine nachgelassen. Der Hauptgrund ist die allgemeine Schwächung der Parteien und Großorganisatoren in der israelischen Gewerkschaft. Die Histadrut ist heute kein Staat im Staate mehr, sondern im wesentlichen nur noch eine normale Gewerkschaft. Das hat sich auch auf die "Hapoel"-Klubs ausgewirkt. Weil die Histadrut nicht mehr oder nur noch wenig zahlt, wurden in einigen Städten, sogar in der traditionellen Arbeiterhochburg Haifa, die Vereine quasi privatisiert. Teilweise übernahmen privatwirtschaftliche Sponsoren die Schirmherrschaft über die Ex-Proletarier; in anderen Fällen wurden die wichtigsten Bilanzposten - vornehmlich Fußballstadien und andere Sportanlagen - schlicht verkauft. In anderen Städten, beispielsweise in Herzlia, versuchen die Bürgermeister, Sportvereine zunehmend unter die Schirmherrschaft der Stadtverwaltung zu stellen und die Stadtbewohner auf Lokalpatriotismus an Stelle ideologischer Loyalitäten einzustimmen. Spielerwechsel zwischen den ehemals abgeschotteten Sportbewegungen - einst aus ideologischen Gründen unvorstellbar - sind inzwischen gang und gäbe.

Nur: Von einem allgemeinen Verschwinden der Politik kann, so der Jerusalemer Forscher, deshalb noch lange keine Rede sein. Das Paradebeispiel dafür ist Beitar Jerusalem, vor allem wegen der starken Fußballmannschaft eine Großmacht in Israels Sport. Dort werden die Spitzenposten nach wie vor unter parteipolitischen Gesichtspunkten besetzt, das Amt des Beitar-Präsidenten ist immer noch ein gutes Entrée-Billet in die Spitze des Likud. Der heutige Gesundheitsminister Jehoscha Matza ist beispielsweise ein ehemaliger Beitar-Präsident. Auch innerhalb der landesweiten Verbände - etwa für Fußball oder Leichtathletik - ist der Parteigeist noch lebendig, vor allem wenn es um die Wahl der Funktionäre geht. Dort, wo die politischen Kräfteverhältnisse ausgeglichen sind, wechseln, wie in den achtziger Jahren auf Regierungsebene vorexerziert, sich manchmal Rechte und Linke an der Spitze im Rotationsverfahren ab.

Ein neuartiges politisch-sportliches Problem stellte sich dann vor zwei Jahren. Damals stieg die Fußballmannschaft der israelisch-arabischen Stadt Taibe als erste arabische Mannschaft überhaupt in die iraelische Nationalliga auf. Schon sahen besorgte Beobachter den arabischen Nationalismus in die israelisch Sportarena einziehen, dazu kam es aber nicht. Zwar ließen sich arabische ebenso wie jüdische Fans gelegentlich zu nationalistischen Sprüchen hinreißen, wenn Taibe gegen jüdische Klubs antrat (obwohl dort auch mehrere jüdische Kicker spielten), das Problem löste sich dann aber von allein. Der Verein stieg schon nach einer Saison wieder ab.

Der Beitrag erschien zuerst in der Allgemeinen Jüdischen Wochenzeitung, Nr. 22/1997