Tic Tac Tot

Ricky soll raus! Wie Frauen Frauen mobben

Die Anzahl von in einer richtigen Band Tätigen, das gehört zu den Grundsätzen des Musikwesens, muß unter allen Umständen durch zwei teilbar sein, sonst kann man das Musikmachen gleich bleiben lassen. Denn in jeder vernünftigen Band wird andauernd gestritten: um den Sechs-Achtel-Takt, die Texte, den richtigen Einsatz und darüber, ob das ganze nicht doch viel zu kommerziell ist.

Und hin und wieder wird jemand aus der Band rausgeworfen. Das geht meistens so: Alle anderen haben sich schon seit längerem darüber verständigt, daß Mitglied X nicht spielen kann, dauernd zu spät kommt, ein widerlicher Schnorrer und dazu noch ein total unfähiger Bassist (es trifft immer die Bassisten) ist, und eines Abends dann reicht es schließlich. Mit allem Takt, zu dem das männliche Geschlecht fähig ist, wird nun versucht, dem Ex-Bassisten in spe dies klarzumachen. Das geht am Anfang ungefähr so: "Wir denken, daß du nicht so richtig in unser Konzept paßt." Der will das in aller Regel jedoch nicht einsehen, bis irgendwer genug hat: "Okay, die Sache ist die: Du gehst uns auf die Nerven, bist nie da, stinkst und säufst uns dauernd unser Bier weg!"

Das sind nachvollziehbare Gründe, die dem Bassisten einleuchten, deswegen geht er ohne großes Palaver. Handelt es sich bei der Band um eine bekannte, dann wird noch schnell eine Presseerklärung verfaßt, in der es im großen und ganzen um das Konzept geht, in das das Ex-Mitglied nicht mehr paßt.

Bei den Girl-Groups läuft alles jedoch ganz anders. Frauen gemeinsam sind stark, zeigen es den Männern, tun das, was die Kerle tun, ganz selbstverständlich auch, jedoch auf eine andere, eben typisch weibliche Art, denn Frauen geht die ganze Macho-Scheiße auf die Nerven.

Und so werden in einer Girl-Group Mitglieder entlassen: Jazzy und Lee beschlossen irgendwann, daß Ricky nicht mehr zu ihnen paßte. Vielleicht weil sie dauernd zu spät kam, den anderen immer ihr Koks wegzog, Jazzy immer alles nachmachte und ständig die Klamotten kaufte, die sich Lee ein paar Tage zuvor zugelegt hatte - wer weiß das schon. Deswegen beschlossen Lee und Jazzy, ein Interview zu geben, in dem all dies ehrlich angesprochen werden sollte. Weil man ihnen allerdings musikalische Schwierigkeiten nicht so ohne weiteres abgenommen hätte, erklärten sie, Ricky sei psychisch krank und könne deswegen nicht mehr mitmachen. Ein wenig später sagte Ricky, daß dies nicht stimme, und so traf man sich Ende letzter Woche zur finalen Pressekonferenz. Dort beschimpfte Ricky Lee und Jazzy als Lügnerinnen, während Lee und Jazzy sagten, daß dies nicht wahr sei, im Gegenteil, Ricky würde lügen und hätte immer zuviel Angst gehabt, allein zu schlafen, deswegen sei sie immer zu Jazzy ins Bett gekrochen, dabei sei sie doch schon 19. Und im übrigen wohl psychisch krank. Was Ricky empört zurückwies, denn sie mache nur ein "Streß-Aufbautraining", aber anstatt zu fragen, was das denn sein soll, quasselten nun alle durcheinander: über Rickys Mutter, Rechtsanwälte, Morddrohungen, Psychotherapeuten und Lees Fähigkeit, "auf Knopfdruck zu heulen". Das tat die dann auch, und schon war die Pressekonferenz zu Ende, und die Fernsehsender hatten prima Bildmaterial.

VIVA benutzte es, um den neuen Tic Tac Toe-Song "Bitte küß mich nicht", in dem es um Kindesmißbrauch geht, damit zu unterlegen. Dies reichte dem Sender aber nicht, deswegen verbreitete er zusätzlich auf seinen Videotext-Seiten eine "Erklärung", in der die Fans der Band dazu aufgerufen wurden, ihre Meinung zu faxen.

Conny, 12, aus Großberghofen fand "es von Jazzy total doof, daß sie Ricky jetzt so fertig macht!" Gabi und Daniel rieten: "Setzt euch noch mal zusammen und redet, das seid ihr uns schuldig!" Auch Nadine, 14, fand "das nicht gut. Warum schreien die sich so an? Das tut den Fans doch auch weh. Sie wußten doch, daß VIVA das aufnimmt!"

Nick R., 25, stellt sich hingegen eine rein musikalische Frage: "Was hat Ricky überhaupt in einer Rap-Band verloren? Ich will ja niemanden dissen, aber rappen kann die nicht!" Alice aus dem schweizerischen Chur gehen die Girls dagegen auf die Nerven: "Diese drei Gören sollen aufhören, sich lächerlich zu machen. Außerdem sollen sie aufhören, die Fans so zu belügen."

Belogen und betrogen fühlt sich nicht nur sie. Veronika aus Duisburg fragt verzweifelt: "Lügen, Lügen, Lügen - haben wir Konsumenten das nötig?"