Wolfgang Heinz, Dozent an der FU Berlin und entwicklungspolitischer Gutachte

»Zusammenarbeit mit Diktaturen?«

Auch der deutsche Botschafter ist inzwischen nach Teheran zurückgekehrt. Wie kann das, was Kinkel als Kritischen Dialog bezeichnet, Ihrer Ansicht nach greifen?

Die iranische Regierung hat eine religiös fundierte Vorstellung der Gestaltung von Staat und Gesellschaft, weil schiitischer Islam, wie er von den Regierenden verstanden wird, und Staat strukturell miteinander "verschränkt" gedacht werden, während in Westeuropa und den USA eine Trennung von Staat und Religion existiert. Die Tatsache, daß es diese verschiedenen Vorstellungen gibt, muß nicht dazu führen, daß man überhaupt nicht miteinander redet.

Die sogenannten Menschenrechtskonferenzen im Namen des Dialogs haben nur zur Imagepflege des islamischen Totalitarismus beigetragen. Zwangsverschleierung, die physische und psychische Eliminierung von Andersdenkenden, all diese Akte der Barbarei existieren weiterhin.

Zumindest aus der Sicht der Menschenrechtsorganisationen und auch der USA - aus anderen Gründen - hat der Dialog im Falle des Irans nicht so funktioniert, wie seine Vertreter es sich gedacht hatten. Man sah, daß sich die Menschenrechtslage nicht verbessert hat. Somit kann man keinen Zusammenhang herstellen zwischen der Tatsache, daß ein solcher Dialog geführt wurde, und der Hoffnung darauf, daß ein solcher Dialog zu einer Verringerung der Menschenrechtsverletzungen führt. Ich gehe aber auch davon aus, daß es weiterhin handfeste Interessen in der deutschen Wirtschaft gibt, mit dem Iran im Geschäft zu bleiben. Hierbei kann der Kritische Dialog den falschen Eindruck erwecken, die Regierung in Teheran sei reformbereit.

Stabilisieren Wirtschaftsbeziehungen politische Diktaturen nicht ganz einfach?

Ein Gedanke ist meiner Ansicht nach richtig: Wenn ein Ausbau wirtschaftlicher Beziehungen zu einer Entwicklung von Mittelschichten führt, kann dies auch zur Folge haben, daß die Mittelschichten beginnen, politische Beteiligungsrechte einzufordern. Dies ist eine Erfahrung in vielen Ländern, aber nicht in allen Ländern.

Unter den diktatorischen Verhältnissen im Iran flüchten die sogenannten Mittelschichten in die Privatsphäre und wollen nichts riskieren.

Auch in Indonesien oder Thailand entstehen durchaus Mittelschichten, beschränken sich aber weitgehend auf Business und fordern nicht automatisch mehr politische Beteiligung ein. Aber zumindest ist die Chance da. Menschen, die täglich überlegen müssen, wie sie physisch überleben, sind selten in der Lage, aktiv Politik zu betreiben. Es kann aber durchaus sein, daß die Mittelschichten im wesentlichen keine politische Rolle anstreben.

Legitimieren Wirtschaftsbeziehungen Menschenrechtsverletzungen?

Eine Verbesserung von wirtschaftlichen Beziehungen zu einem Land, wo die Menschenrechtsverletzungen in einem erheblichen Maße anhalten oder sogar zunehmen, hat meiner Ansicht nach einen legitimatorischen Effekt für das jeweilige Regime und kann ihm auch zusätzliche Ressourcen verschaffen, durch die ein möglicher politischer Druck, Reformen durchzuführen, deutlich gemindert wird.