Bildungsburger vom Band

In den USA geben Privatuniversitäten den Trend für Reformen vor: Studieren ist Zeit ist Geld

Zeit ist Geld. Das gilt nicht nur fürs Business, sondern auch für die Universitäten. Im Süden der USA macht die University of Phoenix vor, wie fortschrittliche Hochschulen zukünftig aussehen könnten. In ihren Werbebroschüren gibt die Uni - die sich selbst nur "U. of P." nennt, schließlich ist Zeit Geld - bekannt, sie sei die zweitgrößte Privat-Universität der USA und besitze über das ganze Land verteilt insgesamt 47 Zweigstellen. Während die Institute der Konkurrenz, große staatliche Hochschulen und kleine private Colleges, reihenweise schließen mußten, erhöhte sich die Studentenzahl der U. of P. von 3 000 auf fast 40 000.

Die U. of P. arbeitet raumsparend. Man mietet Geschäftsgebäude oder einzelne Etagen für Büros und Lehrräume. Die Räumlichkeiten liegen so, daß kein Student länger als zwanzig Minuten mit dem Auto zum Ziel benötigt: in unmittelbarer Nähe von Highway-Ausfahrten, Flugplätzen oder Stadtzentren. Jedesmal anbei sind riesige Parkplätze. Das könnte sich bald ändern, denn die U. of P. hat schon jetzt ein Online-Programm für rund 2 500 Studenten. Zu jenen, die den Wissensstoff zu Hause meistern, gehören hauptsächlich Angehörige der globalen US-Streitkräfte. Ein anderes Programm sieht ein Fernstudium für weitere 2 000 Studenten vor. So kann man an der University of Phoenix ein Diplom ohne direkten Kontakt mit Professoren oder Kommilitonen erhalten.

Die U. of P. wurde 1976 von dem in Berkeley und Cambridge ausgebildeten Wirtschaftshistoriker John Sperling gegründet. Der heute 76jährige mokiert sich inzwischen lauthals über die traditionellen Bildungsmuster, viele Lernwillige könnten das nicht mehr bezahlen. Das ungerechte System zu ändern ist allerdings nicht in seinem Sinn. Er setzt auf die Microsoft-Idee: Anstelle alter Hochschulen würden künftig Unternehmen wie Microsoft die Welt prägen. Könne man die nicht überbieten, müsse man mit ihnen kooperieren.

Sperling will praxisnahen und profitablen Service liefern. Als Ökonom gehe er davon aus, daß Bildung wie Produktion ablaufe. Der Student bestimme die Lernergebnisse - sein Produkt - und entscheide sich für den effektivsten Weg. Es werden nur Studenten angenommen, die über 23 Jahre alt sind und einen Job haben. Die Diplom-Seminare finden abends und in direkt aufeinanderfolgenden fünf bis sechs Wochenkursen statt. Sie sind nicht billig: Für das Erreichen eines Bachelor-Diploms müssen umgerechnet fast 35 000 Mark aufgewendet werden. Aber schließlich soll das ja eine Investition sein. Dafür sind die Lehrer günstig, da sie kein Diplom benötigen. Sie erhalten im Durchschnitt für einen Fünf-Wochen-Kurs 1 000 Dollar. Erprobte Praktiker aus der Unternehmenswelt sind gefragt. Werbung wird vom Werbefachmann gelehrt, Buchhaltung vom Buchhalter. Professoren und Doktoren sind out.

Die U. of P. wird von der Apollo-Group finanziert, deren Aktienwert seit 1994 von zwei auf 35 Dollar pro Aktie gestiegen ist. John Sperling ist Präsident der Firma. Seine Universität ist auch ein Profit-Unternehmen, das von Politikern als Zukunftsmodell angesehen wird - als Mischform aus einer Bildungsstätte, einem Geldgeber und einem Technologiekonzern. Öffentliche Bildung plus McDonalds plus Microsoft gleich Zukunft. Man hält bereits Ausschau nach neuen Märkten für ein progressives Fernstudium. Sperling erwartet in Asien Millionen von Kunden für die Ausbildung in Informationssystemen. Aber auch in den USA steht das praktische Markt-Modell schon für eine Erweiterung bereit: Die öffentlichen Schulen könnten gleitend in ein System aus Privat- und Profitschulen umgewandelt werden. Eine Firma wie Apollo dürfte dann eine Kette von Schulen besitzen, Management zur Verfügung stellen und marktorientiertes Lehrmaterial erarbeiten.

Bildung als Produkt. Denken ist out. Intellektuelle Neugier muß professionellem Strebertum weichen. Ideen haben nur Wert, wenn sie einen materiellen Nutzen haben. Praxis steht über Verständnis. Aber an manchen Hochschulen gibt es auch einen Abschlußkurs in Knigge. Studenten wird beigebracht, wie man sich zu kleiden und zu verhalten hat. Das öffnet die Tür zu Jobs und somit zur Chefetage. Über Phoenix wird berichtet, daß im Büro des Direktors nur drei Bücher stehen: eins über Ausbildung und Leistung, eins über persönliche Führungsqualitäten, eins über Team- und Organisationsentwicklung. Besser soll es im Buchladen der Universität aber auch nicht aussehen. Der ist eher eine Boutique mit Rucksäcken, T-Shirts, Biergläsern und Kaffeetassen. Bücher muß man auf einer Liste bestellen - es gibt nur zur U. of P. passende Lehrbücher. In der Bibliothek gibt es ebenfalls keine Bücher. Der Ersatz sind Computer und Tausende durch Online-Liste zu findende Fachzeitschriften. Der Präsident der Universität sagt, daß die hier Studierenden keine Bildung wollen. Er verschweigt, wer die Profiteure dieses Modells sind.

Hochschulbildung wird in den USA schon seit geraumer Zeit als Geschäft betrieben. Zwei Drittel aller Highschool-Abgänger besuchen ein College oder eine Universität - das sind derzeit etwa 14 Millionen US-Amerikaner. Die Ziele der 3 700 Colleges werden von den Wünschen ihrer Konsumenten und von Marktinteressen beeinflußt. In einer Studie wurde festgestellt, daß nur ein Sechstel aller College-Studenten dem Typus eines Studierenden mit Vollzeitstudium und Hochschulleben entspricht. Der Rest bevorzugt eine Bildungsstätte, die einer Tankstelle oder einem Supermarkt gleicht: 24-Stunden-Dienstleistung, Parkplatz vor der Tür und regelmäßige Qualitätskontrollen.