Le Pen ist dabei

Der französische Rechtsradikale nennt in München die Gaskammern ein Detail der Geschichte

Jean-Marie Le Pen ist dabei. Der Kurzbesuch des Führers der französischen Rechtsextremisten am 5. Dezember in München hat in den französischen Medien großes Aufsehen hervorgerufen. Der Chef des Front National war in die bayerische Hauptstadt gekommen, um an der Vorstellung des Buches "Le Pen - der Rebell. Der Front National, ein Modell für Deutschland" durch seinen Duzfreund Franz Schönhuber teilzunehmen.

Schönhuber, der ehemalige Waffen- SS-Mann und spätere Parteivorsitzende der Republikaner hatte dieses Werk im September auf dem "Bleu-Blanc-Rouge"- Fest des Front National in Paris präsentiert. Auf dem letzten FN-Kongreß Ende März 1997 in Strasbourg hatte er durch Harald Neubauer (früher REP, jetzt Deutsche Liga für Volk und Heimat) ein Grußwort verlesen lassen, während die "offiziellen" REPs - also die Linie, die durch den Bundesvorsitzenden Rolf Schlierer repräsentiert wird - nicht vertreten waren.

Der Front National zieht mit seiner Strategie der Anti-System-Opposition gegen den bürgerlichen Liberalismus aktuell eher die radikalen Dissidenten der REPs oder der italienischen Rechtsextremen um Pino Rauti an, während die rechtsextremen Großparteien Westeuropas wie die österreichische FPÖ oder die italienischen "Postfaschisten" unter Fini Distanz bewahren.Größeren Anklang findet Le Pen mit seinen Verschwörungstheorien, die die kapitalistische Globalisierung als (jüdisches) Komplott anprangern, in Osteuropa. So war er im November in Bukarest bei der antisemitischen "Großrumänienpartei" als Gastredner aufgetreten.

In München wurde der Front National-Chef rückfällig und wiederholte eine zehn Jahre zuvor gemachte Äußerung, die damals zu heftigen Auseinandersetzungen in Frankreich geführt hatte. Am 13. September 1987 hatte Le Pen in einer Fernsehdebatte auf RTL getönt: "Ich bin leidenschaftlich gefesselt von der Geschichte des Zweiten Weltkriegs. Ich stelle mir eine Reihe von Fragen. Ich sage nicht, daß die Gaskammern nicht existiert haben. Ich habe selbst keine sehen können. Aber ich glaube, daß es sich um einen 'point de détail' (unwichtigen Nebenumstand) der Geschichte des Zweiten Weltkriegs handelt". Auf die fassungslose Nachfrage eines Fernsehjournalisten, "Sechs Millionen Tote, ein 'point de détail'?", hatte Le Pen ungerührt geantwortet: "Wollen Sie mir sagen, daß es die erwiesene Wahrheit ist, die jedermann glauben muß? Ich sage, daß es Historiker gibt, die darüber noch debattieren."

Für dieses offene Plädoyer für den Geschichtsrevisionismus wurde Jean-Marie Le Pen am 18. März 1991 vom Appellationsgericht Versailles dazu verurteilt, an neun antifaschistische oder antirassistische Vereinigungen, die als Zivilkläger aufgetreten waren, jeweils 100 000 Francs (zusammen rund 300 000 Mark) zu zahlen. In München nun erklärte Le Pen: "Ich habe gesagt und ich sage es weiterhin, auf die Gefahr hin, als Frevler zu gelten, daß die Gaskammern ein Detail in der Geschichte des Zweiten Weltkriegs sind."

Jean-Marie Le Pen hatte im Vorfeld seines Müncher Auftritts erklärt, es mache ihm nichts aus, in der ehemaligen "Hauptstadt der Bewegung" der Nazis aufzutreten; er sei gekommen, "dem deutschen Volk, welches das Märtyrervolk Europas gewesen ist, die Ehre zu erweisen". Die französische Presse versäumte es nicht, auf die Symbolik des Le Pen-Besuchs und die Waffen SS-Mitgliedschaft seines Freundes Schönhuber hinzuweisen. So heißt es in einer Pressemitteilung der antirassistischen Vereinigung SOS-Racisme: "Die Äußerungen - in München gemacht - veranschaulichen die ideologische Abstammung des Front National." Die der KP nahestehende Tageszeitung L'Humanité übertitelte ihren Kommentar am 6. Dezember lakonisch "Der Münchner", was in Frankreich wohl verstanden wird - als Anspielung auf die Debatte um das Münchener Abkommen 1938, wo Befürworter und Gegner einer Annäherung an NS-Deutschland einander gegenüberstanden.