Bombiger Zufallsfund bei der Kameradschaft Treptow

Zwei Berliner Neonazis wollten einen Rohrbomben-Anschlag auf ein aktives PDS-Mitglied verüben

Der Anlaß für die Durchsuchungen waren Aufkleber mit Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, doch gefunden wurde wesentlich Brisanteres. Die Ermittler von Polizei und Staatsanwaltschaft dürften nicht schlecht gestaunt haben, als sie am Montag vergangener Woche im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen die Berliner Kameradschaften Köpenick und Treptow bei 17 Mitgliedern der beiden Neonazi-Gruppierungen in Treptow, Köpenick und Marzahn Hausdurchsuchungen durchführten - fanden sie doch nicht nur zahlreiche Unterlagen über die beiden Gruppierungen sowie Waffenansammlungen, die man bei Neonazis schon fast als Standard bezeichnen kann und zu denen in diesem Fall unter anderem Schlagwaffen, ein Karabiner und ein abgesägter Revolver gehörten. Bei dem 20jährigen Carsten M. wurden zusätzlich auch Materialien zur Herstellung von Rohrbomben sichergestellt, über deren geplante Verwendung der 17jährige Patrick D. schließlich aussagte. Ein Anschlag auf ein Mitglied der PDS-Jugendorganisation AG Junge GenossInnen Treptow sei geplant gewesen, auf dessen Balkon sollte die Höllenmaschine installiert werden.

Während Polizei und Justiz davon ausgehen, daß die beiden Nazis ihr anvisiertes Opfer wohl zufällig persönlich kannten, bezeichnete die PDS das betroffene Mitglied als politisch "sehr aktiv" und schließt deshalb auf einen länger geplanten Anschlag auf das gezielt ausgewählte Opfer. Offenbar in Vorbereitung auf den Anschlag waren bereits zwei Probesprengungen in einer Telefonzelle und in einem Waldstück in der Königsheide durchgeführt worden, ein dritter Versuch im Treptower Park war von Passanten gestört worden. Die beiden Bombenbastler, die Mitglieder der Kameradschaft Treptow sein sollen, wurden in Untersuchungshaft genommen; ein Ermittlungsverfahren wegen Vorbereitung und Verabredung zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion sowie wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz wurde eingeleitet.

Im dichten Geflecht der Berliner Neonaziszene ist die Kameradschaft Treptow mit mehreren Dutzend Mitgliedern und ihren beiden Ortsgruppen eine der größten Gruppierungen. Mitglieder der Neonazitruppe waren in der Vergangenheit immer wieder bei Angriffen und Überfällen in Erscheinung getreten. Ein Sprecher der Treptower PDS bezeichnete die Kameradschaft als "Gruppierung mit starken Strukturen und dementsprechenden Aktivitäten". Daß diese Aktivitäten sich nicht nur auf die Rekrutierung rechter Jugendlicher und die Verbreitung von Propaganda beschränken, wird angesichts des geplanten Anschlags deutlich.

Ihren Hang zum Terrorismus und zu Tätlichkeiten mit tödlichem Ausgang haben die Berliner Neonazis und insbesondere die Kameradschaft Treptow schon des öfteren unter Beweis gestellt. Erst unlängst wurde in Lübeck der Berliner Neonazi Kay Diesner wegen Mordes und versuchtem Mord an zwei Polizisten und einem linken Buchhändler zu lebenslänglicher Haft unter besonderer Schwere der Schuld verurteilt. Ebenfalls zu Haftstrafen verurteilt worden waren kurz zuvor die beiden langjährigen Neonazi-Kader und leitenden Mitglieder der Kameradschaft Treptow, Lutz Schillock und Detlef Nolde. Schillock hatte im Frühjahr zwei Gesinnungsgenossen aus Wittenberg wegen einer Meinungsverschiedenheit kurzerhand erstochen, während Nolde den Opfern Tränengas ins Gesicht sprühte und sie festhielt. Bereits im August 1994 hatte die Polizei bei Hausdurchsuchungen bei nahezu jedem der über zwanzig betroffenen Neonazis, die zum harten Kern der rechten Szene Berlins gezählt werden können, und wegen eines geplanten Angriffs auf eine Antifa-Demo festgenommen worden waren, zahlreiche Waffen gefunden.

Einen Schlag ins Gesicht muß der jüngste Fund bei den beiden Bombenbastlern von der Treptower Kameradschaft für Innensenator Jörg Schönbohm bedeuten, der das Bestehen von terroristischen Tendenzen in der rechten Szene wiederholt abgestritten hat und bereits nach dem Attentat Kay Diesners auf den der PDS nahestehenden Buchhändler Klaus Baltruschat in Bedrängnis geraten war. Kritik an der Berliner Polizei äußerte der Bezirksvorsitzende der Treptower PDS, Michael Schneider: Es sei in hohem Maße leichtsinnig, daß er als Bezirksvorsitzender aus der Zeitung von dem geplanten Anschlag erfahren mußte und nicht sofort von der Polizei informiert worden sei. Vorwürfen seitens der Berliner PDS-Vorsitzenden Petra Pau sah sich auch das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz ausgesetzt. Pau kritisiert, daß es unverständlich bleibe, warum das Landesamt in seinem Lagebericht vom August quasi Entwarnung suggeriert habe, was die Neonazis angehe, und bezeichnete das Attentat auf den Buchhändler Baltruschat als "bisherige Spitze neofaschistischer Gewaltbereitschaft in Berlin".