Champagner in Köpenick

Der ägyptische Multimillionär Mohamed Al Fayed soll den "schlafenden Riesen" 1. FC Union aufwecken

Der 1. FC Union steckt in finanziellen Schwierigkeiten. Präsident Heiner Bertram, ein ehemaliger Oberstleutnant der Bundeswehr und Kaufhausketten-Sanierer, muß innerhalb von vierzehn Tagen eine halbe Million Mark auftreiben, um den maroden Ostclub aus Berlin-Köpenick am Leben erhalten zu können. Offensichtlich läuft nicht alles so, wie Bertram , der erst seit acht Wochen im Amt ist, sich das vorgestellt hatte: Viele der wichtigen Unterlagen seiner Vorgänger fehlen, unter anderem die aus der Amtszeit seines Vorgängers, Horst Kahstein, der zur Zeit als Fährschiff-Verkäufer in den baltischen Republiken unterwegs ist. Fest steht nur: Die Schulden sind erheblich größer als bisher angenommen. Seit dem mit Hilfe einer gefälschten Bankbürgschaft erschwindelten Aufstieg in die zweite Bundesliga im Jahr 1993 (aus dem dann allerdings doch nichts wurde) sind die Schulden des 1. FC Union rasant angewachsen. Die aktuellen Verbindlichkeiten betragen ca. 4,6 Millionen Mark, Zahlungen über 500 000 Mark an das Finanzamt und die Spieler sind sofort fällig.

Über 40 deutsche Unternehmen hat das neue Führungs-Team des 1. FC Union, Heiner Bertram/Hans-Joachim Jung, auf der Suche nach einem Hauptsponsoren deswegen nun angeschrieben - kaum die Hälfte der Adressaten machten sich überhaupt die Mühe, dem Verein ihre Ablehnung mitzuteilen. Ein Appell Bertrams im deutschen Fernsehen half Union auch nicht weiter. Das Team weitete deswegen die Suche nach einem Retter auf das Ausland aus. Neben dem US-Amerikaner Vladimir Leska, einem gebürtigen Tschechen, der seit 1994 Slavia Prag mit viel Geld unterstützt, erhielt auch ein anderer bekannter Fußball-Fan einen Brief aus Köpenick: Mohamed Al Fayed.

Am 29. Mai dieses Jahres gab Al Fayed, Eigentümer u. a. des Londoner Nobelkaufhauses Harrod's und des Pariser Ritz, bekannt, daß er den englischen Drittligisten FC Fulham, inklusive einiger Verpflichtungen zum Aufbau des Clubs, für umgerechnet 80 Millionen Mark gekauft habe. Bei der deswegen abgehaltenen Pressekonferenz im Londoner Craven Cottage Stadion gab es nur den besten Champagner - von Harrod's. "Warum trinkt ihr nicht? Trinkt! Trinkt!" ermunterte Al Fayed, dessen Vermögen auf umgerechnet 2,5 Milliarden Mark geschätzt wird, seine Gäste. Die vom Bankett sichtlich beeindruckten Journalisten genossen diese neue Art Pressekonferenz, auf der Al Fayed kurz seine Pläne erläuterte: Fulham bekommt ein modernes Stadion mit 25 000 Sitzplätzen, die oben erwähnten 80 Millionen Mark sind nur als Grundinvestition zu betrachten. Der FC Fulham soll das "Manchester United des Südens" werden. Immer noch nicht klar ist, ob das daraufhin entstehende Gelächter im Saal durch den Champagner oder durch die Neuigkeit verursacht wurde.

Vier Monate später versammelten sich wieder über 200 Journalisten im Craven Cottage Stadion, um Champagner zu trinken und zu erfahren, wer den FC Fulham in die englischen Premier League führen soll. Auch 23 echte Fans warteten hoffnungsvoll auf das "Harrod's Dream Team" und wurden nicht enttäuscht: Die neue Starbesatzung heißt Ray Wilkins/Kevin Keegan. Der bisherige Trainer, Micky Adams, der gerade den Aufstieg in die dritte Liga geschafft hatte, war überflüssig geworden. Eine Abfindung von umgerechnet 750 000 Mark überzeugte Adams, seinen Hut zu nehmen und erst mal Urlaub zu machen. Ray Wilkins, der neue Trainer, war in früheren Jahren Kapitän der englischen Nationalmannschaft - wie der neue Präsident des Klubs, Kevin Keegan. Keegan hatte schon dem FC Newcastle aus der Zweiten Liga in die Premier League geholfen, der Verein wird nun an der Londoner Börse notiert. Der erwünschte Erfolg blieb allerdings aus, die 100 Millionen Mark teure Newcastle-Mannschaft wurde auch in der dritten Saison in der Premier League nur Vizemeister - hinter Manchester United. Im Januar verließ Keegan den Verein, nachdem die Aktionäre starken Druck auf ihn ausgeübt hatten, einige Spieler zu verkaufen, um den Aktien-Gewinn zu steigern.

Beim FC Fulham erhält Keegan nun fünf Prozent der Aktien des Fulham Leisure Limited. Sobald der Verein den Sprung in die Premier League geschafft hat, wird die Firma an die Börse gehen. Zum Aufstieg braucht Fulham nun vor allem neue Spieler: Allein im ersten Monat als "Chief Operating Officer" gab Keegan 4,5 Millionen Mark für zwei Kicker aus. Der in der vorigen Woche gestartete Versuch, einen Verteidiger der Blackburn Rovers, Chris Coleman, für weitere 4,5 Millionen Mark zu verpflichten, scheiterte, der Spieler will auch zukünftig beim Tabellenzweiten der Premier League arbeiten.

Nun soll Al Fayed seine Kaufkraft auch dem 1. FC Union zur Verfügung stellen. Er könne, so Präsident Bertram in einem Bettelbrief, am besten diesen Verein übernehmen, wenn er in das "soccer business in Germany" einsteigen wolle. Um den "schlafenden Riesen" zu wecken, müsse zwar reichlich Geld investiert werden, aber, so Präsident Bertram: "Wir haben eine gute Mannschaft, starke Fans und ein seriöses Management."

Wenn Al Fayed das Unglaubliche wahr macht und den Brief beantwortet, dann wird sich bei Union alles ändern. Ein "Köpenick Dream Team" wäre schnell aufgebaut - mit Lothar Matthäus und Jürgen Klinsmann gibt es auch in Deutschland zwei ehemalige Nationalmannschafts-Kapitäne, die man sich als perfekte Besatzung vorstellen könnte.